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01.01.2000

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Oswald Haerdtl. Architekt und Designer (1899-1959)

Bücher im BauNetz


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Bunte Farbe auf kariertem Papier
Oswald Haerdtl war ein „zeichnerischer Entwickler“. So kann man sich für den österreichischen Architekten und Designer (1899-1959) kaum eine schönere Würdigung vorstellen, als möglichst viele seiner aquarellierten Entwürfe abgedruckt zu sehen. Mit Eleganz und einer gewissen Unschärfe warf Haerdtl seine Interieurs, Gebrauchsgegenstände und Schriftzüge auf kariertes Papier. Diese Zeitdokumente der Darstellungstechnik sind freilich nur ein Teil der im Verlag Anton Pustet erschienenen und von einer Ausstellung im Wiener Ringturm begleiteten Monografie. Adolph Stiller legt mit diesem Buch einen Augen- und Leseschmaus vor: üppig mit Plandarstellungen versehen, mit zeitgenössischen Fotos, mit einem durchgängig bebilderten Werkverzeichnis. Der Autor wirft ein ausführliches Streiflicht auf die Biographie Haerdtls, ergänzt durch beschreibenden Abschnitte und interpretierende Aufsätze anderer Autoren. Eine solch vermittelnde Mischung bekommt eine glatte Eins.
1978 fand in Zusammenarbeit mit der Hochschule für angewandte Kunst die letzte Wiener Haerdtl-Ausstellung statt. Danach drohte der Architekt in Vergessenheit zu geraten. Adolph Stiller leistete die Forschung am Nachlass, der von den Erben als Dauerleihgabe an das Architektur Zentrum Wien übergeben wurde. Sein Buch unternimmt eine abgerundete Gesamtbetrachtung des Haerdtlschen Werks, die allen an Gestaltung Interessierten einen üppigen Strauß an qualitätvollen Projekten und Entwürfen präsentiert.


Produktiver Gesamtkünstler
Ein Umstand, der dem Leser vielleicht weniger bekannt sein dürfte, nämlich dass Oswald Haerdtl Mitarbeiter und späterer Büropartner Josef Hoffmanns war, erfährt in der Bearbeitung Stillers die nötige Abgrenzung und Bewertung. Man darf Haerdtl nicht als Epigone des wesentlich Älteren sehen. Er war mindestens ein ebenso produktiver Gesamtkünstler, der sich mit gleicher Intensität Bauaufgaben und Designaufträgen widmete. Aus der Mitarbeit bei Hoffmann (ab 1924) wurde von 1930 bis 1939 eine gleichberechtigte Arbeitsgemeinschaft. Freilich war Hoffmann ein gestalterischer Übervater, doch arbeitete Haerdtl vor wie nach dem Zweiten Weltkrieg auch ganz selbständig. Sein architektonisches Spektrum reicht von Ausstellungsgestaltungen, einem Doppelhaus in der Wiener Werkbundsiedlung bis zu den österreichischen Pavillons zweier Weltausstellungen. Am prototypischsten für die Aufschwungjahre stehen seine Interieurs für die Cafés der Marke Arabia. Da brach ein Wiener scheinbar mit der Wiener Kaffeehaustradition und leitete eine neue Zeit mit einer deutlich italienischen Anlehnung ein. Das rasche Espressotrinken an der Bar erfuhr allerdings die Transformation ins Wienerische, in dem Haerdtl immer wieder gemütliche Sitzecken einplante. Gerade hier leistet das Buch enorm wichtige Konservierungsarbeit: Der Charme dieser Cafébars ist wenigstens auf Papier erhalten, denn die Espressi selbst überlebten nicht. Fotos, Entwürfe, Ausstattungsdetails werden mit so viel sichtlicher Freude und Wertschätzung präsentiert, dass man nahezu glaubt, einen satten Kaffeeduft wahrzunehmen.


Architektur der feinen Unterschiede
In drei Aufsätzen gelingt es, das Haerdtlsche Werk über den „Espressostil“ hinaus aus anderen Perspektiven zu zeigen. Friedrich Achleitner erweist dem Architekten die Reverenz, wenn er ihn als wichtige Lichtgestalt der österreichischen Szene anerkennt und ihn in Auftreten und Habitus zwar ein Stück hinter Clemens Holzmeister, doch zumindest neben den „alten Hoffmann“ stellt. Ein „Solist“, ein „Dirigent“ in Sachen Architektur sei er gewesen. Um so erstaunlicher, dass er fast in Vergessenheit geraten konnte. Vielleicht hat dieses sanfte Verschwinden aus dem architektonischen Bewusstsein auch damit zu tun, dass Haerdtl unter den nach dem Zweiten Weltkrieg sich neu auftuenden Perspektiven, als der „Wienerische“ der „Kunstgewerbliche“ galt. Er schien eher ein ästhetisches „Auslaufmodell“ zu sein als eine Figur der Avantgarde. So ist es um so wichtiger, dass bis heute unterbewerteten Bauten, wie dem Historische Museum der Stadt Wien (1953-59) am Karlsplatz, breiter Raum gegeben wird. Und wie schick uns Haerdtls Fifties-Design gerade heute erscheint, braucht kaum erwähnt zu werden. Haerdtls Weg zwischen Funktionalismus und Ornamentierung nennt Siegfried Mattl in seinem Aufsatz eine „Architektur der feinen Unterschiede“. Wie ambivalent das mit der Schubladisierung des Modernitätsbegriffs ist, zeigt auch ein Hauptwerk des Architekten, der österreichische Pavillon auf der Weltausstellung in Paris 1937. Unter den „modernen“, polternden Machtdemonstrationen der Sowjets und der Deutschen nahm sich dieser Pavillon nämlich eine „altmodische“, noch nichts ahnende Leichtigkeit heraus. (Eva Maria Froschauer)


Adolph Stiller
Herausgegeben vom Architektur Zentrum Wien.
Mit Texten von Friedrich Achleitner, Bruno Reichlin und Siegfried Mattl.
Engl. Broschur, 288 Seiten mit zahlreichen Plänen, Farb- und S/W-Abbildungen,
Verlag Anton Pustet, Salzburg 2000
ISBN: 3-7025-0402-8


 
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