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01.01.1999
Neue Architektur aus Tirol
Bücher im BauNetz
Die junge Reihe „Edition Architektur Aktuell“ bildet seit kurzem eine interessante Ergänzung zur gleichnamigen österreichischen Architekturzeitschrift. Der bisher zweite Band ist der neuen Tiroler Architektur gewidmet.
Der fachkundige Leser trifft auch hier auf das bereits bekannte, angenehm sparsame und zurückhaltende Erscheinungsbild des anspruchsvollen Fachmagazins.
Die bewährte Zweisprachigkeit wird beibehalten und bildet in einer zweispaltigen Komposition das strukturelle Rückgrat für das freie Layout mit zahlreichen farbigen Abbildungen. Leider zeigen die Plandarstellungen wenig grafische Einheitlichkeit. Nur mit dem Vergrößerungsglas entdeckt man oft wertvolle planerische Details in manchen verkleinerten Grundrissen oder Schnitten. Mit etwas mehr Großzügigkeit und einem geeigneten Maßstab für die grafischen Abbildungen könnte dabei ein weiteres gleichberechigtes Element im ansonsten gelungenen Layout geschaffen werden.
Bei einem schnellen optischen Spin-Off laden viele farbige Abbildungen dazu ein, sich in den Text zu vertiefen und mehr über das eine oder andere Projekt zu erfahren. Wie einem Flaneur wird dem Leser auf fast 200 Seiten eine enorme Bandbreite an abwechslungsreichen Eindrücken auf einer Reise durch eine scheinbar neue regionale Architektur geboten.
Jedesmal ein Gewinn sind die Beiträge von Friedrich Achleitner. Als Einleitung präsentiert er auch hier einen historisch fundierten und zeitweise ironischen Blick auf die regionalspezifische Entwicklung der Moderne in dem seit dem ersten Weltkrieg dreigeteilten Land. Nach diesem historischen Rückblick erkennt der Leser nach und nach ein verschwommenes Bild der Entwicklung der eigenständigen und formal überraschend inkonsistenten zeitgenössischen Tiroler Architektur.
Roger Riewe beschreibt in diesem Zusammenhang, wie sich viele Tiroler Projekte durch eine eigenständige formale Ausbildung, sehr unterschiedliche Entwurfsansätze und eine besondere Art der Materialverarbeitung auszeichnen, während sich andere Projekte wiederum in traditionellen Materialcollagen üben.
Auffallend bleibt eine außergewöhnliche Vielfalt unterschiedlichen Projekte, wobei in der vorliegenden Publikation kaum nach der Gebäudetypologie unterschieden wird. Neben Wohnanlagen und Freizeitparks findet man, ganz selbstverständlich, auch neue Verkehrsbauwerke, Sportstadien, Supermarktfilialen, Verwaltungsgebäude und Einfamilienhäuser. Der Überblick über alle derzeit aktuellen Gebäude gewinnt dadurch natürlich an Umfang, ein klarer, fachlich fundierter Vergleich wird hingegen unmöglich.
Rem Koolhaas beschrieb bereits 1985 die „erschreckende Schönheit des 20. Jahrhunderts“ (in: Jacques Lucan: OMA . Rem Koolhaas, München 1991). Damit formulierte er die heutige Abkehr vom ganzheitlich komponierten, klassischen Ensemble zu einem gleichberechtigten und gleichzeitigen Nebeneinander verschiedener architektonischer Lehren und formaler Erscheinungsbilder. Sehr wahrscheinlich ist mit dieser Abkehr vom herkömmlichen Schönheitsbegriff ein Gewinn an persönlicher Freiheit verbunden. Eine Freiheit, die sich in der Formensprache der zeitgenössischen Architektur auszudrücken versteht. Davon offenbar unbeeindruckt bleibt die regionalistische Abgrenzung der vorliegenden Publikation auf das Land Tirol, wobei sich die Frage stellt, ob diese neue Freiheit vielleicht einen solch engen Rahmen braucht, um sich erfolgreich zu verwirklichen.
(Wolfgang Höhl)
Liesbeth Waechter-Böhm (Herausgeberin)
Edition Architektur Aktuell, Band 2.
Broschiert, 181 Seiten, 307 größtenteils farbige Abbildungen
Springer-Verlag, Wien New York 1999
ISBN: 3-211-83128
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