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01.01.2004

Ostmoderne. Architektur in Berlin 1945–1965
Ostmoderne. Architektur in Berlin 1945–1965

Bücher im BauNetz


Das Buch, das die gleichnamige Ausstellung im Foyer der Juristischen Fakultät der Humboldt-Uni begleitet, möchte auf qualitätvolle Bauwerke der Nachkriegsmoderne in Ost-Berlin als „Hauptstadt der DDR“ aufmerksam machen und einen Überblick geben über das Bauschaffen vor und nach der „Architektur der nationalen Traditionen“. Die vorgestellte Auswahl der Bauwerke ist auch tatsächlich eine kleine Entdeckungsreise durch Berlin und gibt endlich die Architekten des einen oder anderen Gebäudes bekannt, die einem im Vorbeifahren schon immer mal als beachtenswert auffielen. So werden unter anderem die Wohnzelle Friedrichshain, für die anfänglich Hans Scharoun verantwortlich zeichnete, als Beispiel für modernen Wohnungs- und Städtebau vorgestellt, der Pavillon im Weingarten oder der „Tränenpalast“ am Bahnhof Friedrichstraße als Bauten, die mit der „Nierentisch-Moderne“ vergleichbar sind, angeführt, sowie Sportbauten wie das Stadion der Weltjugend oder das Freibad Pankow, die durch kleine, leichte Pavillons, Uhrenhäuschen und Sprungtürme bestechen. Vor allem Industriebauten wie der frühere Milchhof oder das Umspannwerk in der Eldenaer Straße in Friedrichshain sind Beispiele einer Moderne neben der viel zitierten Plattenbauarchitektur. Angenehm ist dabei, dass den sattsam bekannten Bauten der Karl-Marx-Allee, wie dem Ensemble um das Kino „International“ oder den Wettbewerben zum Zentrum und zum Alexanderplatz, wenig bis gar kein Platz eingeräumt wurde, schließlich ist in der einschlägigen Literatur dazu genug Material vorhanden. Von den Autoren Andreas Butter und Ulrich Hartung, die bereits einige Veröffentlichungen zum Thema Architektur der DDR publiziert haben, wird der Leser allerdings nur mit den allernötigsten Informationen versorgt. Dabei hätte man sich eine ausführlichere Darstellung und einen Vergleich mit der westlichen Nachkriegsmoderne sowie das Nachzeichnen von Kontinuitäten und biografischen Verflechtungen mit der Vorkriegsmoderne gewünscht. Besonders bedauerlich ist, dass keinerlei gesellschaftspolitischen Bezüge hergestellt wurden. Vor allem für das Bauen nach 1956, das sich als „sozialistischen Moderne“ von der westlichen Moderne abzugrenzen versuchte, ist die unterlassene Darstellung von politischen Implikationen insbesondere bei den Bauaufgaben und der Kunst am Bau ärgerlich.
Der mangelnden Ausführlichkeit der Hauptautoren stehen die beiden angefügten Texte zum industriellen Wohnungsbau von Roman Hillmann und Irma Leinauer, die sich der Entwicklung bautechnologischen Aspekte widmen, kontrastierend gegenüber. Hier erfährt man vom „Lückenbau“, einer Strategie zur typisierten Bebauung der Kriegslücken, der im vorangehenden Text nur gestreift wurde und der wesentlich zur differenzierten Betrachtung des Themas Ostmoderne beiträgt.
Das Bildmaterial, das die Autoren zusammengetragen haben, ist jedoch beachtlich und besticht vor allem durch eine intensive Bearbeitung, die die Abbildungen untereinander qualitativ angleicht. Vor allem die zeitgenössischen Fotografien von Wolfgang Reuss tragen zur hohen Qualität des Bildteils bei. Ein Manko der Abbildungen und Plangrafiken ist allerdings deren Größe; der überwiegende Teil ist einfach zu klein. Manche historischen Fotos aus der Vogelperspektive laden förmlich zum Spaziergang durch die Straßen ein. Eine etwas großzügigere Ausstattung des Buches wäre schön gewesen.
Verdienstvoll ist dieser Katalog für die immer noch mangelnde Wahrnehmung der Leistungen der Architektur in der SBZ/DDR und trägt hoffentlich dazu bei, dass die noch vorhandenen Gebäude als solche erhalten bleiben.
Arne Winkelmann

Andreas Butter, Ulrich Hartung
Broschiert, 22,- EUR
Jovis, Berlin 2004
ISBN: 3-936314-41-1


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