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28.07.2016

New Laboratories

Bücher im BauNetz


Von Dina Dorothea Dönch

In Mendelsohns Einstein-Turm war der Wissenschaftler 1922 allein mit der zu erforschenden Natur, nach dem Krieg wurde das Labor zur industriellen Maschine und als „Cathedrals of the Mind“ bezeichnet der britische Architekturkritiker Edwin Heathcote die heutige Forschungsarchitektur. Gebäude für die Wissenschaft werden immer öfter publiziert, sie sind zu einer bedeutenden Bauaufgabe geworden, und doch sind die aktuellen Typologien noch kaum erforscht. Die Kunsthistorikerin Charlotte Klonk hat nun im Verlag De Gruyter ein Buch herausgegeben, in dem Historiker und Architekten sich dem Themenfeld nähern und auch die Forscher selbst in Interviews und Zitaten zu Wort kommen. „New Laboratories“ beschreibt die aktuelle Forschungsarchitektur als globales Phänomen. Obwohl die Autoren an deutschen Universitäten zu Hause sind, lag es also nahe, das Buch in englischer Sprache zu veröffentlichen.

In der heutigen Forschungsarchitektur liegt der gestalterische Fokus auf den Gemeinschaftsräumen, in denen zufällige Begegnungen interdisziplinären Austausch ermöglichen sollen, während die Einrichtungen strukturell den Weg der Spezialisierung und Aufspaltung der Fachbereiche beschreiten, erklärt Charlotte Klonk. Das typische zeitgenössische Laborgebäude ist „transparent und offen“, obwohl großflächige Verglasung nicht immer praktikabel ist. Stattdessen ist die Offenheit eine PR-Geste, die Zugänglichkeit suggerieren soll, wo sie nicht unbedingt auch tatsächlich gegeben ist.

Christina Landbrecht
geht dem Mythos der Transparenz auf den Grund: Glas als politisches Signal im Nachkriegsdeutschland, Architektur, die die Gesellschaft und den einzelnen Menschen verändern soll. Anstelle des Genies im Chaos ist das nun sichtbare Labor aufgeräumt: „a technical, artificial and clean think tank.“ Wird mit der Arbeitsumgebung auch die Wissenschaft genormt? Oder beeinflussen die informellen Zwischenräume die Arbeitsweise der Forscher tatsächlich positiv? Entsprechende Raumtypologien untersucht Henrike Rabe anhand von Fallbeispielen, denn wie Historiker Peter Galison sagt: „Buildings serve both as active agents in the transformation of scientific identity and as evidence of these changes“. Verschiedene historische Beispiele, vorgestellt von Verena Straub oder Ronald Göbel, erklären, wie sich das heutige Labor in seiner globalisierten Gestalt entwickelt hat.

Neben der Funktionalität, die durch möglichst flexible Flächen und Infrastruktur erreicht wird, weist der Forschungsbau überall auf der Welt auch ähnliche repräsentative Gestaltungsmuster auf. Sabine Hansmann zitiert in ihrem Text „Between Service und Representation“ den Historiker Robert E. Kohler: „Generic places sustain the illusion that their inhabitants' beliefs and practices are everyone's beliefs and practices“. Naturwissenschaften genießen in der Gesellschaft hohes Ansehen und eine Autorität, die der Staat heute nicht mehr unbedingt genießt. Dabei unterliegt die Architektur vieler Laborbauten den Entstehungsbedingungen staatlich geförderter Bautätigkeit. Umgekehrt setzen renommierte Forschungseinrichtungen wie MIT, Harvard oder Princeton längst auf renommierte Architekten, um sich durch Architekturikonen einen Standortvorteil im Wettbewerb um begabte Wissenschaftler zu verschaffen.

Mit der Frage nach der repräsentativen Qualität heutiger Forschungsgebäude berührt das Buch allgemeine gesellschaftliche Perspektiven, über die die Kulturwissenschaftlerin Elke Krasny 2014 im Buch „Architektur im Kontext“ schreibt: „Der Marktwert steigt mit dem Grad der Bildzirkulation“. Wenn „alle Städte suchen, sich durch die globalen Zeichen von Stararchitekturen vergleichend zu distinguieren“, folgen sie nach Krasny dem Imperativ: „Sei zeitgenössisch!“ Die aktuelle Forschungsarchitektur repräsentiert so die „herrschenden neoliberalen und globalisierten Produktionsbedingungen“. Krasny sieht in der Kritik an diesen Bedingungen einen politischen Akt, der jenseits der Stararchitektur in der heutigen Architekturproduktion existiert.

Auch die Hoffnung, dass „Architektur essentiell dazu beitragen könnte, unvorhersehbare Innovationen zu generieren“, sieht Charlotte Klonk als Herausgeberin von „New Laboratories“ eher kritisch. Sabine Hansmann prophezeit stattdessen in ihrem Text die wachsende Bedeutung der öffentlichen Wirksamkeit als zentrale Aufgabe der Forschungsarchitektur und betont die „große Herausforderung“ für Architekten, zugleich ansprechende und flexible Innenräume zu gestalten. Als „Kommunikationsexperte“ nach dem Vorbild der Tech-Branche wird der Wissenschaftler nach Meinung der Autoren in der heutigen Architektur dargestellt und gesehen. Im politischen Sinne innovativ sind dieser Wissenschaftler und die Architektur, die für ihn entsteht, aber nicht – zumindest wenn man Elke Krasnys Überlegungen folgt.

New Laboratories
Historical and Critical Perspectives on Contemporary Developments

Herausgegeben von Charlotte Klonk, mit Texten von Ronald Göbel, Sabine Hansmann, Charlotte Klonk, Christina Landbrecht, Henrike Rabe und Verena Straub
De Gruyter, 2016
Paperback, 197 Seite
n
Englisch

29,95 Euro


www.degruyter.com





Zum Thema:

Mehr Forschungsarchitektur auch in der Baunetzwoche#342: Unterm Mikroskop

Die Fotografie auf dem Cover stammt von Menno Aden, dessen Arbeit in der Baunetzwoche#359 vorgestellt wurde



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Cover, nach einem Bild von Menno Aden

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