Angst, Fetisch und Ruine sind drei der außergewöhnlichen bis provokanten Titel der bisher erschienenen Ausgaben von horizonte, der Zeitschrift für Architekturdiskurs der Bauhaus-Universität Weimar. Mit „Widerstand/Resistance“ hat die Studenteninitiative ein gleichsam besonderes Thema für ihre zehnte und aktuelle Ausgabe gewählt.
Bei dem Begriff im Kontext von Architektur dürften vielen zunächst Kenneth Framptons Thesen zum Kritischen Regionalismus – „Thesen zu einer Architektur des Widerstandes“ – oder aber die Protestarchitekturen von Tahrir-Platz, Gezi- und Zucotti-Park in den Sinn kommen. Die Themen des Heftes sind weniger naheliegend – in der horizonte-Jubiläumsausgabe finden Autoren wie Christian Faschingeder, Charlotte Grace oder Johannes Warda jeweils ihren ganz eigenen Zugang zum Thema, das die Redaktion wie folgt beschreibt: „Widerstand ist nichts grundsätzlich Gutes. Er ist immer nur etwas Anderes, in gewisser Weise ist er der architektonischen Tätigkeit eingeschrieben. Wer etwas gestaltet, steht immer schon im Widerspruch zum Gegebenen, so sehr sie auch auf es Bezug nimmt und sowenig wie dieser Realität eine Wertung eingeschrieben ist, sowenig trifft dies auf den Widerstand zu. Er erscheint uns also als Möglichkeitsbedingung für etwas Anderes, etwas, das sich der Realität, ihren Erwartungen und Konventionen entgegenstellt, sich ihnen entzieht oder sie übertreibt.“ In der Ausgabe finden sich außerdem ein Interview mit WAI Think Tank (Peking), die im Dezember 2014 Gast der horizonte-Vortragsreihe waren, sowie Gespräche mit weiteren Referenten wie Martino Tattara von DOGMA.
Während des inzwischen fünfeinhalbjährigen Bestehens der Zeitschrift haben stets wechselnde Grafiker – zumeist auch aus der Hochschule – die Ausgaben gestaltet. Für die nun zehnte Ausgabe sind mit Happy Little Accidents und den Gestaltern Paul Stolle und Robin Weißenborn die Macher des ersten Heftes zurückgekehrt. Den sonst markanten Schriftzug von horizonte gibt es nicht mehr, das Logo auf dem Heftrücken ist in die Mitte gerückt, das Format ist etwas breiter geworden und damit nicht mehr ganz so handlich. Statt Starschnitt oder sonst oft beiliegendem Poster sind fünf grafisch besonders gestaltete Thesen oder Zitate zum Widerstand etwa von Schriftstellern, Architekten oder Philosophen mit eingebunden. Sie verbergen sich hinter japanisch gefaltetem samtig-bläulichem Affichenpapier, wer sie lesen will, muss den Falz mit dem Finger fein säuberlich zertrennen oder ungeduldig zerreißen – das Ergebnis verleiht der eigenen Ausgabe einen ganz persönlichen optischen Twist.
Mit dieser Ausgabe ist dem horizonte-Redaktionsteam um Toni Herzog, Maximilian von Zepelin und Paul Hensgen ein weiteres einzigartiges Heft geglückt, dessen 500 Exemplare sich bestimmt rasant verkaufen werden. (lr)
Horizonte 10 – Widerstand/Resistance
110 Seiten, November 2015
10 Euro
www.luciaverlag.de