Von Stephan Becker
„The reasons for this house“, so überschreibt Valerio Olgiati sein Vorwort, mit dem das Buch über seine Villa Além in Portugal beginnt. Und man möchte sich sofort nach den Gründen für dieses großformatige Buch erkundigen. Für 54 Euro bekommt man 72 Seiten mit zugegebenermaßen sehr schönen, jedoch zum Teil auch schon bekannten Fotografien. Dazu besagtes Vorwort und ein Essay von Tom Schoper. Warum dieser Aufwand?
Hinweise gibt das Vorwort selbst. Für das Ehepaar Olgiati ist die Villa Além nicht nur ein luxuriöses Feriendomizil, sondern Heim, das sie mehrere Monate im Jahr bewohnen wollen. Olgiati beschreibt das Leben in der rauen portugiesischen Landschaft als einen ganz eigenen Zustand: jenseits des üblichen städtischen, suburbanen und ländlichen Lebens. Ein einsamer Rückzugsort, eine räumliche Meditation zum Thema Unabhängigkeit.
Der Begriff Meditation gibt einem einen weiteren Hinweis, wenn man ihn in Bezug mit Schopers Essay über die Idee des Absoluten setzt. In langsamer Bewegung folgt man ihm von Hegel über die Villa Rotonda bis zur Villa Além – und man begreift, dass dieses Buch gerade in seinem verschwenderischen Blick auf ein einziges Objekt seine Bestimmung findet. Wie die Villa ist es eine Meditation über Unabhängigkeit – vom Gebrauchswert, vom Informationszwang, vom schnellen Bild.
Gut möglich, dass dieses Buch gerade darum wichtig ist: als eine Art Monument, das man nicht liest, sondern das zugeschlagen auf dem Schreibtisch seinen Sinn erfüllt. Als Erinnerung, dass unsere Vorstellung von Nützlichkeit einen sehr engen Horizont hat – ganz anders als die weite Landschaft, in der die Villa Além steht.
Valerio Olgiati: Villa Além
Mit einem Text von Tom Schoper
The Name Books, 2015
Hardcover Leinen, 72 Seiten
54 Euro
www.thenamebooks.com
...geben nicht die Meinung der Redaktion wieder, sondern ausschließlich die ihrer jeweiligen Verfasserinnen und Verfasser.
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Fred | 17.11.2015 20:15 UhrKonkret
Ich möchte mich an dieser Stelle auch für die gelungene Rezension bedanken.
Es sei mal dahingestellt, ob es sich hier um ein Kunstwerk handelt oder nicht – aber jedes Kunstwerk kann nicht von der Zeit, in der es entstanden ist, getrennt werden. Und gerade hier stellt sich die Frage, inwiefern das Gebäude nicht völlig anachronistisch ist.
Ein Monument seiner Schöpfer, ein (Un-)Sinnbild, wie Form und Inhalt nicht zusammenpassen, wenn man bedenkt, dass zwei Personen die Menge Beton für ihr Ferienhaus verbraucht haben, die sonst eine ganze Ferienanlage benötigt hätte. Andererseits ist man trotzdem fasziniert, was möglich ist, wenn man den kategorischen Imperativ außer Acht lässt und nur sich selbst als Maßstab nimmt.
Ob man das Gedankenexperiment schließlich auch bauen muss, hängt davon ab, ob man noch zur Vernunft gekommen ist – oder wie hier eben nicht.