Von Florian Heilmeyer
Dieses Buch ist auf angenehme Weise ein ungewöhnliches: Es widmet sich dem Park am Gleisdreieck, jener ausgedehnten Grünfläche zwischen den Berliner Bezirken Kreuzberg und Schöneberg, deren dritter Teil – nach Ost- und Westpark nun der südliche Flaschenhalspark – im Frühjahr 2014 eröffnet wurde. Gestaltet wurde der Park vom Berliner Atelier Loidl, für das eine der beiden Herausgeberinnen lang gearbeitet hat. Daraus ließe sich nun schießen, dass sich auch das umfangreiche Buch vor allem mit der Planung und Umsetzung des Parks beschäftigen würde. Doch weit gefehlt – und hier beginnt das Ungewöhnliche an diesem Buch.
„Park Life Berlin“ ist eben keines der üblichen Bücher über (Landschafts-)Architektur. Zwar interessiert es sich auch für die gebaute Form, in diesem Fall eben die Gestaltung des Parks, mehr noch interessiert es sich aber für die Menschen, die mit und in diesen Formen leben. So nähert es sich dem Park und dessen Entstehungsgeschichte lieber in einer Mischung aus kulturwissenschaftlicher, historischer und soziologischer Perspektive: Deshalb kommen eben nicht zuerst die Planer zu Wort, sondern werden erst einmal Gespräche mit Anwohnern und Nutzern des Geländes geführt, die den Ort schon kannten, als er noch kein offiziell gestalteter Park war.
Da erzählen der Autor Rory MacLean, der Künstler Ben Wagin, Radiomoderator Robert Skupin oder der Schauspieler Hans Zischler teils sehr persönliche Geschichten vom Gelände und seiner Geschichte. Über diese Gespräche – und einige wunderbar verwunschene Foto-Strecken wie Wim Wenders Fotos aus den Ortssuchen zu „Himmel über Berlin“ oder Hans Mendes „Gleiswildnis 1977–1984“ – nähert sich der Leser dem Ort eher atmosphärisch, und nur langsam entsteht das Bild eines einmaligen Ortes mitten in Berlin, der in seiner Geschichte und Gestaltung einen Teil der Geschichte Berlins abbildet. Erst danach kommen die Landschaftsgestalter zu Wort sowie Planungsverantwortliche des Berliner Senats, und dann auch Bürgervertreter, die die Planung lange Jahre mit Protesten und Initiativen begleitet haben.
Es sind gerade diese Interviews mit den Bürgerbewegten, die sich einst auch gegen eine Formalisierung des Geländes als offizieller Park engagierten, die am deutlichsten klar machen, welch langen, mühsamen Weg dieses Projekt in Bezug auf ein so oft gefordertes und so selten (gut) umgesetztes Miteinander in der Planung zurückgelegt hat. Viele Bürgerwünsche sind heute Teil des Park geworden: der riesige Wasserspielplatz, die interkulturellen Gärten, all die Anlagen für Skater, Beachvolley- und Basketballer sowie die alten Schrebergärten, die in die Parkgestaltung eingebunden wurden.
Nicht alles konnte erfüllt, nicht jeder Streit geschlichtet werden, und dennoch (oder gerade deswegen?) kann der Park am Gleisdreieck heute als eines der gelungensten Beispiele einer neuen Beteiligungskultur in der Stadtplanung gesehen werden, nicht nur in Berlin. Und umso begrüßenswerter und angemessener erscheint dieses Buch, das einen ungewöhnlichen Weg beschreitet, um eben nicht nur Beschluss, Umsetzung und Ergebnis zu zeigen, sondern um die vielen verschiedenen Sichtweisen und Meinungen zu versammeln, die zusammen den Ausgang dieses Projekt wie sich gegenseitig beeinflussende Kraftfelder bestimmt haben. Daher ist das Buch auch an einigen Stellen ungewöhnlich ausführlich. Dieses und jenes hätte vielleicht weggelassen werden können, die Auswahl von Fotografen und Gesprächspartnern wirkt hier und dort zufällig. Aber gerade daraus entsteht wohl diese Vielstimmigkeit, die es zu einem Buch macht, das letztlich so vielfältig, wechselhaft und widersprüchlich ist wie der Park selbst.
Gleisdreieck. Parklife Berlin
Hrsg.: Andra Lichtenstein und Flavia Alice Mameli
transcript Verlag 2015,
Hardcover, 288 Seiten
34,99 Euro
www.transcript-verlag.de
Zum Thema:
parklife.berlin