Oberflächlich und subversiv: Der Bildband Hungarian Cubes, herausgegeben von der deutsch-ungarischen Künstlerin Katharina Roters, ist ein Katalog subversiver Ornamente, die zur Zeit des Sozialismus auf ungarischen Hausfassaden entstanden.
Die einfachen geometrischen Muster zogen die Herausgeberin erstmals 2003 in ihren Bann, als sie von Deutschland in ein kleines ungarisches Dorf zog. Die teils wie abstrakte Malereien anmutenden Gestaltungen zieren die Stirn- oder Längsfassaden so genannter Würfelhäuser. Die gleichförmigen eingeschossigen Eigenheime, „quadratische oder längliche Klötzchen mit spitzem Dach“, wie der Kunstphilosoph Hannes Böhringer die Würfelhäuser in seinem Begleittext beschreibt, entstanden in den 1960er und 1970er Jahren im sozialistischen Ungarn. Noch heute zeugen deren Fassaden von dem Individualitätsdrang ihrer Bewohner, die in einem subjektiven Akt die zur Straße ausgerichteten Hausseiten individuell farbig gestalteten und diesen kollektiven Wohnformen so eine ganz eigene Identität verpassten.
Für Einheimische längst Alltag, begriff Roters die ornamentalen Gestaltungen an ungarischen Straßenrändern als verschwindendes Phänomen, wie sie in ihrem Nachwort erklärt. Heute nicht mehr zeitgemäß, werden die Würfelhäuser häufig bis zur Unkenntlichkeit umgebaut oder ganz abgerissen. Mit Hilfe digitaler Nachbearbeitung befreite die an der Kunstakademie Düsseldorf ausgebildete Künstlerin die Hausgesichter in ihren Fotografien von störenden Elementen wie Satellitenschüsseln, Stromkästen oder Ästen. So unterstreicht sie den klaren zeichenhaften Charakter der Würfelhausfassaden.
Nach Ähnlichkeit der geometrischen Formen und Haustypen – mal mit Satteldach, mal mit Zeltdach – komponiert Roters die Häuser zu einer typologischen Bilderreihe, in der sich die Gestaltungen von grob geometrisch bis hin zu filigran-ornamentalen Verzierungen wandeln.
Ihre serielle Komposition verdeutliche die Vielfalt der grafischen Gestaltungen. In ihrer Zusammenstellung lässt Roters den Betrachter das Außergewöhnliche in dieser ungarischen Alltagsarchitektur entdecken. Die Fassaden scheinen teils komisch und humorvoll, wenn sich unter den eigentlich ungegenständlichen geometrischen Fassaden doch mal ein rotes Haus mit Krawatte, ein Haus mit Gesicht oder mit Hühnerschnabel findet.
(Luise Rellensmann)
Hungarian Cubes
Katharina Roters
Park Books, 2014
gebunden, 172 Seiten
Deutsch/ Englisch
38 Euro
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