Mit Architektenmonographien ist es so eine Sache: Meist richten sie sich hauptsächlich an Mitarbeiter des eigenen Büros oder potentielle Kunden und enden in den Buchhandlungen als Ladenhüter und Sonderposten. Für eine erfreuliche Überraschung sorgt deshalb das neue Buch von Winy Maas, Jacob van Rijs und Nathalie de Vries zusammen mit Ilka und Andreas Ruby, das schlichtweg „MVRDV: Buildings“ heißt.
Man darf sich von dem unentschiedenem Cover (Typographie auf schwarzem Grund mit farblosen Fotoschnipseln vom Frøsilo im Hintergrund) nicht täuschen lassen, denn diese Publikation ist keine typische MVRDV-Portfolio-Bibel. Das Rotterdamer Trio lässt in seinem Buch vielmehr die Geschichten ihre Gebäude erzählen – aus anderen Perspektiven. Gerade das macht es so interessant.
Man nähert sich den vorgestellten Projekten auf zwei Ebenen. Die Wahrnehmung der Nutzer, vor allem durch viele per Facebook-Aufruf gesammelte private Fotos und Schnappschüsse vertreten, wird von professionellen, journalistischen Stimmen ergänzt. Ausführlich recherchierte und gut erzählte Reportagen lassen die einzelnen Projekte für sich selbst sprechen. Wie war das noch mit den Hippies, Punks und dem Neubau für das legendäre Effenaar Pop Center, das MVRDV als moderne Konzerthalle 2005 am Stadtrand von Eindhoven gebaut haben? „Sieht aus wie ein Star Trek Borg-cube“, scherzte der Bassist von Nada Surf nach einem Konzert in dem Kubus aus Stahl, Glas und Beton. Das Einfamilienhaus Barcode in München (ebenfalls 2005) wurde als Verbindung zwischen gemütlichen Vorstadt-Garten und urbaner Lebensqualität gebaut – heute ist es eine bloße Hülle, das Bauherren-Paar hat sich getrennt.
Mirador und Silodam, Book Mountain und Balancing Barn: Fast 40 Gebäude-Geschichten versammeln sich in diesem Buch zu einem besonderen Familienalbum. Auf klassische Projektbeschreibungen und die – für MVRDV sonst so typischen – wilden Diagramme wurde komplett verzichtet; Schnitte und Grundrisse sind nach gründlicher Überarbeitung einheitlich und lesbarer geworden – das Buch soll schließlich auch Nicht-Architekten ansprechen.
16 Jahre nach der Villa VPRO für den gleichnamigen niederländischen TV-Sender und 13 Jahre nach dem Expo-Pavillon in Hannover zeigen MVRDV einen runden Blick auf ihr bisheriges Werk von 1997 bis heute. Es geht nicht darum, wie ihre Architektur gemeint ist, sondern wie sie genutzt, bewohnt und gelebt wird – kurz gesagt: dieses Buch ist ein Reality-Check. Für das Architekten-Ego sicher ein mutiger Schritt. (jk)
MVRDV: Buildings
Hrsg. von Ilka & Andreas Ruby
Design: Studio Joost Grootens
NAI Publishers, Juli 2013
400 Seiten, englisch
65 Euro
Zum Thema:
www.naibooksellers.nl