Angefangen hat alles mit einem Stuhl: dem 24-Euro-Stuhl. Mies van der Rohe hat einmal gesagt, es sei schwerer, einen guten Stuhl zu bauen als einen Wolkenkratzer. Das meint auch Van Bo Le-Mentzel. „Ein Hochhaus besteht oft einfach nur aus einem vervielfachten Grundriss“, so der Berliner Architekt, „Bei einem Stuhl geht es aber um jedes Detail. Nichts lässt verstecken, das Design
ist pur.“
Inspiriert von Mies, Marcel Breuer, Erich Diekmann und Gerrit Rietfeld ist der 24-Euro-Stuhl ein Klassiker von Morgen, er ist nämlich mehr als einfach nur ein Stuhl. Dahinter steckt die Idee, dass jeder dieses Möbel innerhalb kurzer Zeit und für wenig Geld selber bauen kann – „Konstruieren statt Konsumieren“ betitelt der Gestalter sein Konzept. Zugeschnitten werden die Einzelteile im Baumarkt, zu Hause braucht man nur noch Leim, Akkuschrauber und anderes Werkzeug, um aus den verschiedenen Zutaten nach der passenden Anleitung ein wohnliches
Möbel zu zaubern.
Van Bo Le-Mentzel, der übrigens laut eigenen Angaben zwei linke Hände haben soll, hat mittlerweile schon viele Stühle entworfen und gebaut, aber auch den Berliner Hocker, den Beta Block, den Neukölln Desk und die 100 sec lamp – er ist der Erfinder der Hartz-IVMöbel. Sein zeitloses, schlichtes und multifunktionales Mobilar ist so sehr gefragt, dass er die Produktion seiner Möbel in viele tausende Wohnzimmer verbreiten konnte. „Wohnen ist für mich ein soziales Thema und kein reines Designthema. Deshalb habe ich das asozialste Wort Deutschlands gesucht: Hartz IV“, erklärt der Gestalter. Die Baupläne bekommt man im Netz, per Anfrage schickt sie der Architekt an seine Kunden, die ihn wiederum mitihrer Geschichte und einem Foto von dem Möbelstück bezahlen und so seine Entwürfe verbreiten. Für den Designer zählt nicht etwa der Profit, sondern die Verbreitung seiner Idee, der Gestalter wird zum Moderator. „Karma-Sutra“ nennt Van Bo Le-Mentzel sein Social Design Manifesto: „Do it yourself für Amateure mit wenig Geld aber sehr gutem Geschmack“.
Man darf Van Bo Le-Mentzel aber auch nicht falsch verstehen, er will schließlich nicht zum IKEA-Boykott anstiften. „Wenn es einem gelingt, ein Möbelstück
zu bauen, ist man stolz wie Bolle“, so der Designer. Inzwischen ist aus dem ursprünglichen Produkt, dem 24-Euro-Stuhl eine ganze Kollektion gewachsen. Auf seinem Blog und auf Facebook kann man sich durch die Bildergalerien klicken und die unzähligen Variationen der Hartz-IV-Möbel bestaunen. Nun ist zwei Jahre später auch das Buch erschienen. „Build More Buy Less! Konstruieren statt konsumieren“ zeigt im Taschenbuchformat die einzelnen Möbel und wie sie gefertigt werden, ergänzt wird diese Sammlung von einem Interview und ausgesuchten Geschichten der „Crowd“. Die vielen Mitstreiter waren es auch, die dieses Knallgelb leuchtende Buch erst ermöglicht haben. Das gedruckte Hartz-IVMöbel. com ist das Resultat von einem charmanten Crowdfunding: Als Gegenleistung werden die Unterstützer mit Gratisexemplaren und Sonderdrucken belohnt.
Die genauen Bauanleitungen wird man in diesem Buch aber nicht finden, schließlich will van Bo Le-Mentzel weiterhin die Möbelgeschichten sammeln. „Meine Entwürfe können nicht kopiert werden“, erklärt er. „Die Umsetzung wäre zu viel zu teuer: Würde man einen Tischler bitten, meinen 24 Euro Chair aus Eiche zu zimmern, würde er 700 Euro kosten. Es ist ja alles Handarbeit.“ Um ein Geschäft zu machen, müsste man den Stuhl für 1200 Euro verkaufen – „Dann kosten meine Möbel so viel wie die Vitra-Möbel.“
Seit kurzem baut der Architekt übrigens auch Häuser. Das „1 Square Metre
House“ ist eine wirklich extrem reduzierte und minimale Variante für eine
günstige Übernachtungsgelegenheit in der Großstadt. Stoppen kann man Van Bo Le-Mentzel nicht mehr. (jk)
hartzivmoebel.de
Hartz IV Moebel.com – Build More Buy Less!
Konstruieren statt konsumieren
Hrsg. Van Bo Le-Mentzel
Texte von Birgit S. Bauer, Kristin Hensel, Van Bo Le-Mentzel, Marie Voigt, Mathias Wetzl, Interview mit Van Bo Le-Mentzel von Rebecca Sandbichler
Gestaltung von Frederike Wagner, Design Bureau kokliko, anschlaege.de
Deutsch/Englisch
Hatje Cantz, 2012
144 Seiten, Taschenbuch
12,99 Euro
www.hatjecantz.de