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10.06.2012

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...viele kleine Kirchen

Bücher im BauNetz


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Ein weiter, blauer Himmel, Zirruswolken, davor ein paar Schäfchen: Die moderne Kapelle auf dem Titel dieses Buches steht gut im Licht. Ein spitzer, schieferverkleideter Nurdach-Campanile, ein verglaster, kleiner Verbindungsgang als „Foyer“ zwischen Turm und Hauptraum (Schiff mag man hier nicht sagen), und ein wiederum mit Schiefer gedecktes Satteldach, das durch die diagonale Lage des quadratischen Hauptraums schräg angeschnitten wirkt. Davor: ein saftiger Acker. Doch die Idylle trügt. Die Bethlehem-Kirche in Witzhave kurz vor Hamburg wurde 2010 entwidmet und sieht dem Abriss entgegen.

Kirchensterben ist heute kein auf Schleswig-Holstein beschränktes Phänomen. Doch der systematische Bau von Kleinkirchen „in der Fläche“ war in den sechziger Jahren gleichwohl eine Besonderheit dieses Bundeslandes: Schleswig-Holstein hat nach dem Krieg so viele Flüchtlinge aus dem Osten aufgenommen wie kaum ein anderes Land. Städte und Dörfer wuchsen. Die evangelische Kirche sah Handlungsbedarf, um den ländlichen Raum mit Kirchen zu versorgen. So wurden in einem landeskirchlich geförderten „Kapellenbauprogramm“ an die 100 Kleinkirchen realisiert. Dazu sind 1961 und 1969 sogar zwei Architekturwettbewerbe durchgeführt worden. Die daraus gewonnenen Entwürfe – nicht nur Preisträger – wurden zum Teil mehrfach realisiert, in einem Fall sogar 17 Mal.

Das vorliegende Buch ruft die Geschichte dieses „seriellen“ Kapellenbauprogramm ins Gedächtnis zurück und behandelt ebenso ausführlich die Frage, was heute mit diesen Kirchen geschehen soll, die inzwischen mancherorts ideell und finanziell in Frage gestellt werden. Die Federführung bei diesem umfassenden Werk hatte – neben kirchlichen Stellen – das Landesamt für Denkmalpflege in Schleswig-Holstein, also in dem Bundesland, in dem die Denkmalpflege jüngst von der Landesregierung weitgehend entmachtet wurde. Umso mutiger also, sich dieses ebenso schillernden wie bislang überregional unbekannten Themas der Nachkriegsmoderne zu widmen.

Diese Kirchen, die in den meisten Dörfern aus Kostengründen auf abgelegenen Grundstücken am Ortsrand errichtet wurden und somit selten eine Chance hatten, sich als architektonisches Zeichen der Dorfmitte zu etablieren, gelten Vielen heute als „zu hässlich, unspirituell, schlichtweg zu zahlreich“. Außerdem kommen sie in die Jahre und müssten baulich generalüberholt werden. Die Denkmalpflege gesteht vor allem solchen Kirchen einen künstlerischen Rang zu, die neben den mehrfach wiederholten Typen-Entwürfen als eigenständige, individuelle Architektenschöpfungen erbaut wurden. Was macht man mit den anderen?

Das Buch wirft diese Fragen auf, naturgemäß ohne sie letztlich beantworten zu können. Doch an diesem kleinen Kosmos der kleinen Kirchen lassen sich viele der typischen Themen exemplarisch zeigen, die sich mit der Nachkriegsmoderne, der Bewertung ihrer Qualität und den Strategien zu ihrer Erhaltung und Weiternutzung verbinden.  (Benedikt Hotze)

„…viele kleine Kirchen“ – Das Kapellenbauprogramm der 1960er Jahre in Schleswig-Holstein

von Matthias Ludwig; Ev.-Luth. Kirchbauverein für Nordelbien/ Nordelbisches Kirchenamt/ Landesamt für Denkmalpflege (Hrsg.)
Reihe: Beiträge zur Denkmalpflege in Schleswig-Holstein (Band 2)
272 Seiten, 192 S/W- und 209 Farbabbildungen, Broschur, Fadenheftung,
Verlag Ludwig, Kiel 2011, 29,90 Euro



Zum Thema:

www.verlag-ludwig.de


 
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