Jetzt gibt es Konkurrenz für Detail, Arch+, Baumeister und Co.: Das New Yorker Magazin PIN-UP mischt Architektur und Entertainment so unbeschwert und locker, dass es die pure Lesefreude ist. Für die jetzt erschienene Spezialausgabe „Berlin“ ist die Redaktion aus dem „Big Apple“ sogar für drei Monate komplett in die deutsche Hauptstadt gezogen. Und das Kistenpacken hat sich gelohnt.
PIN-UP wurde 2006 von dem Deutschen Felix Burrichter ins Leben gerufen. Seitdem erscheint das Hochglanz-Heft zwei Mal im Jahr mit 250 Seiten – und bietet stets ein Sammelsurium extrem frischer Texte, meist jenseits eines hochstilisierten Architekten-Duktus. Blattmacher Burrichter hat den Anspruch, „fashion spirit“ in ein Magazin über Baukunst zu bringen. Für die Berlin-Ausgabe hieß das wohl, ein bisweilen chaotisches Layout zu kreieren, in dem anspruchsvolle Fotostrecken und persönliche Interviews um die Gunst der Blätternden werben können. Manchem Grafiker, der sonst für steife Hochglanzmagazine arbeitet, dürfte PIN-UP aber auch den Schweiß auf die Stirn treiben…
Entertainment versteht das Magazin natürlich nicht im Sinne von Bunte und Gala. Die Architekten, die Burrichters Team in der Berlin-Ausgabe vorstellt, sind meist keine Stars, sondern bekannte und weniger bekannte Baumeister der Hauptstadt. Für die Interview-Serie „10x10“ wurden sie in der ehemaligen Kirche St. Agnes im Stadtteil Kreuzberg abgelichtet. Die brutalistische Kirche von Werner Düttmann aus den 60er Jahren wird derzeit von Arno Brandlhuber für den Galeristen Johann König umgebaut. Ein typisches Berliner Crossover-Projekt eben, wie geschaffen als Porträt-Kulisse für die Architekten der Stadt!
Generell stehen bei PIN-UP eher Persönlichkeiten als Gebäude im Fokus. Neben Berlinliebhaber David Chipperfield kommen auch Schlingensief-Architekt Francis Kéré sowie der exzentrische Jürgen Mayer H in der Berlinausgabe zu Wort. Deutschlands wohl renommiertester Architekturkritiker Niklas Maak („FAS“) lädt in sein 60er-Jahre-Ferienhaus an den Sacrower See ein, am Beispiel Radialsystem am Halleschen Ufer in Kreuzberg lässt sich ein spannendes Umnutzungskonzept des Architekten Jens Casper begutachten. Frech inszeniert wird Letzteres mit einem echten Pin-Up-Girl aus einer Friedrichstadtpalast-Revue.
Alles in allem ist die Berlinausgabe ein höchst erfrischender Blick von außen auf die Berliner Architektenszene. Das New Yorker Team entdeckt viele neue Facetten im Gewusel der deutschen Hauptstadt – und inszeniert sie frech, frei, ohne Brett vor dem Kopf. Heraus kommt ein spannendes Heft, Unterhaltung auf hohem Niveau für Architekten und Architekturfans. Die 15 Euro dafür sind gut investiert. (Luise Rellensmann)
PIN–UP No. 12
Spring Summer 2012
Berlin Special
Text auf Englisch
15,00 €
Zum Thema:
www.pinupmagazine.org