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01.04.2012
Die Hochhausstapler
Bücher im BauNetz
Agenor Freiherr Birnbaum zu Kirchenberg und Hardy Klöterding junior sind Nachbarn. Beide wohnen in ansehnlichen Villen, vor beiden Häusern stehen je eine Stretch-Limousine und ein gestutzter, in einem Topf gebändigter Baum. Zwei wohlhabende Herren im Nadelstreifen haben sich ihr Leben mehr als komfortabel eingerichtet, so scheint es.
Aber eines Tages tut sich etwas: Der Freiherr und Herr Klöterding junior stocken auf. Zunächst genügen Details wie eine goldene Tür (Freiherr) und im Gegenzug die Säule aus diamantendurchwirktem Carrara-Marmor (Klöterding) dem gegenseitigen Aufrüsten. Aber schon einen Schritt weiter hat der Eine den „teuersten Architekten der Welt“ engagiert; der Andere kontert mit Küchen-High-Tech. Das Personal erweitert sich um Privatsekretäre und Putzfrauen, Tischlermeister und Ingenieure, die zum Teil auf schwindelerregenden Konstruktionen ihre Arbeit verrichten. Der Luxus kennt bald keine Grenzen mehr. Die Materialien werden edler, teurer, aufwändiger, Tropenhölzer werden angeliefert und kostbare Teppiche ausgerollt. Auch für sich selbst scheuen die Herren keine Kosten: Herr Klöterding (junior!) bestellt stapelweise Anti-Aging-Cremes. Der Fuhrpark wächst, sowohl die Baufahrzeuge als auch der persönliche bis hin zum Privatjet. Parallel zum Bauprozess, der sich statisch wie stilistisch immer abenteuerlicher gestaltet, werden die ersten Cocktail-Parties und Hauskonzerte gegeben; letzteres aus Anlass des fünften Geburtstags von Klöterdings Malteserhündchen. Der Freiherr entscheidet sich für einen ausgestopften bengalischen Tiger als Haustier, und selbstverständlich übertrumpfen sich die beiden Herren auch in ihren Kunstankäufen.
Selbst die telefonischen Gesprächspartner gewinnen an Prominenz: Anfangs genügt noch der Ministerialbeamte für Stadtentwicklung, später rücken die Kanzlerin und der Bundespräsident nach. (Miteinander wechseln die Konkurrenten kein Wort.)
Erst als die – längst ausgewechselten – Stararchitekten, an den oberen Bildrand gequetscht, beteuern, dass es nun wirklich nicht mehr höher ginge, gerät der Turm des Freiherrn ins Wanken und bricht zu einem bunten Stilmixhaufen zusammen. Herr Klöterding beobachtet das von einer seiner himmelsnahen Terrassen – jedoch nicht etwa triumphierend sondern deutlich besorgt. Und richtig: Auch seine heile Welt kollabiert bald, wenn auch auf eine andere Art.
Die Botschaft dieses Wettlaufs um noch mehr, noch protziger, noch teurer, noch auffälliger ist simpel und nicht neu. Aber von dem Autoren-Illustratorinnen-Duo Germano Zullo und Albertine ohne jeden erhobenen Zeigefinger, dafür in charmante und mit fantasievollen Details sowie knappen Textbausteinen angereicherte Zeichnungen verpackt. Es lohnt sich, sie mehr als einmal durchzublättern. (Christina Gräwe)
Die Hochhausstapler
Germano Zullo und Albertine
übersetzt von Niklas Maak
Sanssouci im Carl Hanser Verlag
München 2012
Festeinband, 48 Seiten
14,90 Euro
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