Dieter Hoffmann-Axthelm spaziert durch die Hauptstadt und nimmt seine Leser mit. Mit dem wissenden, scharfen Blick eines Architekturkritikers (nicht etwa mit dem romantisch-verklärten Blick eines Flaneurs) streift der studierte Philosoph und Historiker mal mit großen, mal mit kleinen Schritten durch die Straßen Berlins. Diese lockere Reihe von Beobachtungen und Bemerkungen ist nun als Buch erschienen: Unter dem Titel „Osten Westen Mittte – Spaziergänge eines Planers durch das neuere Berlin“ rauscht das neue Berlin an ihm vorbei. „Berlin-Minis“ war der Arbeitstitel dieses Buches, und der Autor dachte dabei an Smarties.
Beschrieben werden vor allem die Orte in der Stadt, die die Veränderungen seit Mauerfall und Wiedervereinigung am deutlichsten zeigen – wie das Regierungsband, der Potsdamer Platz und der Hackesche Markt, Ku’damm, Friedrichstraße, Alexa, O2-World, die Simon-Dach-Straße, die Gärten von Marzahn oder das Tempelhofer Feld. Es sind Inseln in der Stadt, Nachwendeerfindungen, Schönheitsreparaturen, Architekturereignisse. Dieter Hoffmann-Axthelm, 1940 in Berlin geboren, hat seine kleinen Essays zu Kapiteln gruppiert und weiß viel zu erzählen.
Seine Beobachtungen sind charmant beschrieben, klug kommentiert – teilweise auch mahnend-kritisierend. So schreibt Hoffmann-Axthelm, übrigens 1992 mit dem Kritikerpreis des BDA ausgezeichnet, zum Beispiel über die Maßstäblichkeit: „Wann hört eine Stadt auf, sich selber zu kannibalisieren? Wann wird nicht mehr alles, was abreißbar ist, abgerissen? Die kunstgeschichtliche Antwort darauf ist: Dann, wenn sie sich selber klassisch geworden ist. Berlin erreichte diesen Zustand um 1900, mit den Stilformen und Dimensionen der Frühmoderne.“
Über den Ostbahnhof schreibt er: „Vom Bahnhof lebte einmal ein ganzes Stadtviertel. Von Stadt und Viertel kann heute keine Rede mehr sein. Man kann nur einzelne Brocken beschreiben – den Bahnhof, die Mühlenstraße mit der O2-Halle und den im Schatten der East-Side-Gallery existierenden Kneipen, Clubs und Attraktionen am Wasser. Die Stadt ist hier ausgesprochen leer, das Gebiet scheint nur nachts zu leben, überwiegend eine Freizeitbühne für jene Sehnsüchte nach Trümmerflächen und Mauermythen, welche die jungen Berlin-Besucher aus den fertigen und saturierten Gegenden Deutschlands und Europas mitbringen.“ – Ehrlicher könnte eine Stadtführung kaum sein. (jk)
Osten Westen Mitte – Spaziergänge durch das neuere Berlin
Dieter Hoffmann-Axthelm
Edition Fototapeta, Oktober 2011
Mit Fotos von Marek Pozniak
157 Seiten, broschiert
12,80 Euro