„Dream City“ – die Traumstadt. So steht es in pinken Lettern auf dem weißen Buchumschlag geschrieben. Doch sowohl der Titel als auch das mädchenhaft gestaltete Cover führen in die Irre. Denn das Blättern durch diesen hochformatigen Bildband löst alles andere als ausgelassene Stimmung aus. Warum? Etwa weil der Leser schnell feststellt: „Dream City“ ist ein Vergnügungspark im kriegsversehrten Irak – und er ist nur eine der Freizeitwelten in Krisengebieten und Diktaturen, die die Fotografin Anoeke Steketee und die Journalistin Eetje Blankevoort zwischen 2006 und 2010 bereist und dokumentiert haben.
Es ist eine seltsam bedrohliche Atmosphäre, die von den Menschen in diesen Kunstwelten ausgeht. Da ist der einsame Rollstuhlfahrer, der etwas abseits vor einer verrammelten Schießbude parkt. Oder die kolumbianische Familie, die – von einer Herde Plastikdinosauriern umringt – ernst, fast vorwurfsvoll in die Kamera blickt. Während Steketee die Besucher der Freizeitparks in ein entrückendes Licht rückt, erzählt Blankevoort die Geschichten der rund um die Welt Fotografierten. So entstehen einfühlsame Portraits in Wort und Bild – vom „Chimelong Paradise“ in China bis hin zu „Mukhmas Funland“ in Palästina.
Ein Beispiel gefällig? Die tragische Lebensgeschichte von Eugene Nyagehene, der in Ruandas Hauptstadt Kigali einst die riesige „Kigali City Park“-Anlage plante, um der vom Genozid gebeutelten Bevölkerung in dem afrikanischen Land etwas Gutes zu tun. Doch Nyagehenes Projekt scheiterte am Widerstand der Behörden. Stattdessen bauten andere Investoren einen Park, die „Bambino Super City“. Doch noch immer spielen viele Kinder in Kigalis Straßen nur mit Bällen aus Bananenblättern – denn den Vergnügungspark können sich nur wenige leisten. „Du siehst uns von außen, wie wir lachen, wie wir Spaß haben“, sagt ein Student, der in dem afrikanischen Fantasialand Arbeit gefunden hat. „Aber Du weißt nie, was in unserem Inneren vor sich geht.“ Zitate wie dieses füllen die Seiten zwischen den Fotos im Bildband.
Es sind nicht allein Steketees wohlinszenierte Bilder der Parkarchitekturen, die „Dream City“ zu etwas Besonderem machen. Es sind die Menschen an und die Geschichten hinter den gezeigten Orten. Etwas unglücklich ist daher die Gliederung des Buches: Der Leser stößt erst auf den letzten Seiten auf Blankevoorts Reportagen. Somit empfiehlt sich nach erstmaligem Blättern und der Lektüre von Lebensgeschichten und Hintergründen der Fotografierten ein zweiter Blick auf die eindrücklichen Bilder. Aber das Hin und Her lohnt sich. Erlebnisparks sind mehr als Vergügunsgorte. Ihre Entstehung, ihre Standorte sowie die Spaßsüchtigen, die von ihnen angezogen werden, sagen einiges über die sozialpolitischen Strukturen des jeweiligen Landes aus, in denen sie sich befinden. (lr)
Dream City
Anoek Steketee, Eefje Blankevoort
Kehrer, Heidelberg (Juni 2011)
Englisch, 168 Seiten, 40 Euro