Erst die Vulkane, dann der Finanzcrash und jetzt Literatur. Island ist für vieles bekannt, aber seine Bautradition ist bisher eher unentdeckt geblieben. Bei knapp 320.000 Einwohnern, die auf der Insel leben, auch kein Wunder, sollte man meinen. Vergleicht man die Architektur Islands mit der Skandinaviens, wird man jedoch enttäuscht. Im Gegensatz zu Dänemark und Finnland, wo Bautraditionen in den 1930er und 40er Jahren leicht in die architektonische Formensprache der Moderne übertragen werden konnten, war der Unterschied zwischen Alt und Neu in Island zu groß für einen Übergang. Und auch heute noch, so scheint es, gibt es nur Torf mit Grasdach oder Beton und Glas. Und in einem anderen Punkt sind die Isländer den Amerikanern nicht unähnlich: Über allem steht das Auto, am besten ein großer Geländejeep mit mindestens genauso großen Rädern.
Der Frage nach der isländischen Architektur hat sich nun der Direktor des Deutschen Architekturmuseums im Rahmen einer Ausstellung höchstpersönlich gewidmet. Die Architektur in Island scheint ein überschaubares Feld, es gibt Lichtblicke wie die Blaue Lagune oder die Ferienhäuser von Studio Granda, und dann gibt es Gebäude, die sind weder schön, noch sinnvoll, auch nicht witzig – kurz es verschlägt einem die Sprache. Das Perlan in Reykjavík ist zum Beispiel so ein Fall. Kenneth Frampton stellte übrigens bei einem Islandbesuch vor einigen Jahren fest, dass der faszinierendste Aspekt isländischer Architektur nicht das bereits Gebaute sei, sondern vielmehr das, was gebaut werden könnte. Kaum eine Landschaft sei schließlich inspirierender als die isländische.
Mit ein paar Sätzen ist die Frage nach isländischer Baukultur aber nicht zu beantworten. Vielmehr beinhaltet die Antwort auf die Frage unzählige weitere Fragen. Und die stellt Peter Cachola Schmal. Er überrascht in dem gleichnamigen Katalog zur Ausstellung mit einer ausführlichen Interviewreihe. In Gesprächen mit neun isländischen und in Island praktizierenden Architekten fragt er, bohrt nach, erforscht und diskutiert Probleme und Potentiale der isländischen Baukultur. Durch die Interviews wird der Katalog ein lockeres Buch – ein handliches Magazin mit großartigen Fotografien von Gudmundur Ingólfsson. Lesen! (jk)
Island und Architektur?
Hrsg. Peter Cachola Schmal
Jovis Verlag, Oktober 2011
Softcover, 256 Seiten
38 Euro