Endlich!! Endlich!! Endlich!! Es kommt wirklich nicht häufig vor, dass ein herausragendes Buch über die allzu vergängliche Kunst des Bühnenbilds erscheint. Ein Buch, das nicht nur Bühnenmomente zeigt, sondern das sich auch für den Prozess und die Materialien interessiert, das Werden und das Warum. Hier liegt so eines vor mir.
Die hier gezeigten 30 Inszenierungen aus 30 Jahren beweisen, was nicht mehr bewiesen werden musste: Anna Viebrock, die im Sommer 2011 ihren 60. Geburtstag gefeiert hat, ist die aufregendste Bühnenbildnerin unserer Zeit. Wer 1993 in der Berliner Volksbühne ihr Bühnenbild für Christoph Marthalers „Murx den Europäer! Murx ihn! Murx ihn! Murx ihn ab!“ gesehen hat, der konnte die DDR verstehen, das gebrauchte, nicht mehr gebrauchte Land. Wer 2000 „Hotel Angst“ (Marthaler/Viebrock und Stefanie Carp) in Zürich sah, der begriff, das alles vergeht und das darin nichts Schlechtes ist. Und „iOPAL“ zeigte 2005 in Hannover, dass doch alles Illusion ist und wir uns auf der Bühne nur selbst zusehen.
Viebrocks Bühnen stülpen innen und außen ineinander, ihre Szenen bestehen aus abgetragene Elementen des Alltags, in dem verwirrte Protagonisten in schiefen Uniformen versuchen, einen Rest von Anstand und Würde zu wahren. Sieselbst sagt, dass die Reisen in den frühen 90ern nach Ostdeutschland und Polen ihr Leben und ihr Werk fundamental verändert haben. Tatsächlich scheint sich ihr desillusionierender Illusions-Realismus aus Reisen zu speisen: Wartezimmer, Bahnhöfe, Bierzelte, Bunker, Kirchen, Zugabteile – ineinander gegossen und geschüttelt, nicht gerührt.
Das Buch zeigt Modelle und Skizzen, Grundrisse und Fotos. Zu jeder Inszenierung hat Malte Ubenauf eine kluge Frage gestellt, in Viebrocks Antworten öffnen sich kleine Ausschnitte aus den Bedeutungs-Universen, die in den Bildern schlummern. Vorne und hinten drängeln sich kluge und persönliche Texte von Kollegen und Weggefährten sowie ein entspanntes Gespräch mit dem Architekten Peter Märkli. Ein ausgesprochen starkes Buch, innen und außen: In der rauen Gestaltung – offene Fadenheftung im Graupappschuber – spiegelt sich die raue Transparenz von Viebrocks Bildern. Endlich!! Endlich!! Endlich!! (fh)
Anna Viebrock. Das Vorgefundene erfinden
Hrsg. Ute Müller-Tischler und Malte Ubenauf
Verlag Theater der Zeit, 2011
200 Seiten, 24,5x29 cm, deutsch
48 Euro
www.theaterderzeit.de