Die Vertikale. Sie fasziniert, beängstigt und macht süchtig. Immer höher soll es sein. Den Himmel berühren. An den Wolken kratzen. Der höchste Turm der Welt steht seit 2008 in Dubai: der Burj Khalifa von SOM – mit seinen 828 Metern knapp doppelt so hoch, wie es das World Trade Center einmal war. Kaum erstaunlich: Die Hälfte aller Hochhäuser wurde seit dem Jahr 2000 gebaut. Seitdem werden die höchsten Wolkenkratzer nicht mehr in den USA gebaut, sondern in Asien.
„Hochhaus – Wunsch und Wirklichkeit“ hat das Museum für Gestaltung in Zürich seine aktuelle Ausstellung genannt, zu der nun eine gleichnamige Publikation erschienen ist. Wunsch und Wirklichkeit vielleicht, weil Zürich als Schauplatz von Hochbauten genau an dieser Schnittstelle steht. Gemessen an den Dimensionen anderer Städte gibt es in Zürich schließlich keine vergleichbaren Hochhäuser; hier gilt alles über 25 Meter als Hochhaus. Ausstellung und Publikation stellen in einer Studie aber eben genau die Hochhaus-Metropolen, nämlich New York, London, Hongkong und Shanghai, mit Zürich vergleichend nebeneinander. Kann das gut gehen?
„Ob als Entwurf gebliebener Wunsch oder als gebaute Konstruktion, das Hochhaus eignet sich offensichtlich besonders gut als Projektionsfläche und Kristallisationspunkt für Ideen und Vorstellungen, wie seine zahllosen Verarbeitungen in den verschiedenen Bildmedien zeigen“ – heißt es im Vorwort. Besonders sind deshalb vor allem die hier gezeigten Fotografien und Darstellungen der alltäglichen Hochhauswirklichkeiten und visionären Hochhauswünsche. Da sieht man die Fotoserie aus Johannesburg von Mikhael Subotzky und Patrick Waterhouse, atmosphärische Schwarz-Weiß Fotografien von Annie Leibowitz und inszenierte Panoramen von Wenig Fen mit dem kompositorischen Titel „Sitting on the Wall“ (übrigens sind überraschend viele der Hochhausfotografien im Querformat). Auf Seite 52 rechts unten sollte man unbedingt den schmelzenden Mies van der Rohe von Erwin Wurm bewundern. Man sieht Fotostrecken, Kunstwerke und Bilder von realisierten Projekten. Kapitelweise werden diese von thematischen Abhandlungen wie „Die Verstädterung der Welt“, „Kommerz statt Konzept“, „Diskrete Urbanität“ und „Kein Downtown für Zürich“ unterbrochen und so Theorie in das Buch gestrickt – das ist leider etwas nüchtern, aber gut recherchiert. Das Kaptitel Zürich fällt aus dem Rahmen. Es beginnt mit der Feststellung: „Das Stadtbild von Zürich ist nicht von Hochhäusern geprägt“ (Wirklichkeit) und endet mit einer wagen Forderung, „ob das Tabu einer höhern Ausnützung mittels Hochhäuser unangetastet bleiben kann“ (Wunsch). Wie sagt man so schön: Wünschen hilft. (jk)
Hochhaus Wunsch und Wirklichkeit
Hrsg. Andres Janser, Museum für Gestaltung Zürich
Texte von Karin Gimmi, Andres Janser, Andres Lepik, Clifford A. Pearson, Eric Schuldenfrei, Martino Stierli, Marisa Yiu und anderen
Gestaltung von Heimann und Schwantes
Deutsch, Paperback, 168 Seiten
39,80 Euro
www.hatjecantz.de
Zum Thema:
Die Ausstellung ist noch bis zum 2. Januar 2012 im Museum für Gestaltung Zürich zu sehen.
www.museum-gestaltung.ch