Denkmalhistoriker und –theoretiker sind ein schrulliges Völkchen. Eine ihrer Schrullen besteht darin, ihre Aufsätze gern in so genannten Festgaben und Jubiläumsschriften zu veröffentlichen. Vordergründig wird durch die persönliche Widmung der Aufsätze damit einem Jubilar gratuliert, in Wahrheit sind die Autoren natürlich dankbar, dass sie über diesen Weg eine Publikationsmöglichkeit in einem seriösen Umfeld finden.
Georg Mörsch, der im letzten Jahr 70 wurde, hat selber öfters in solchen Festgaben publiziert, bis schließlich ein Sammelband seiner Aufsätze aus der Zeit zwischen 1990 und 2002 erscheinen konnte. Das vorliegende Buch ist ihm gewidmet und versammelt Texte von 19 Schülern und Kollegen Mörschs.
Doch wer ist Georg Mörsch? Kurz gesagt, einer der schärfsten und plausibelsten Denker der gegenwärtigen Denkmaltheorie im deutschsprachigen Raum. Mörsch hat 25 Jahre an der ETH Zürich gelehrt; zuvor hatte er Erfahrungen in der praktischen Denkmalpflege sammeln können. Mörsch ist ein origineller Kopf, der schon in den 80er Jahren seinen Studenten die Frage stellte, ob denn die Rekonstruktion eines Schlüsselbaus der Moderne womöglich eine größere Berechtigung haben könnte als der Wiederaufbau eines verlorenen Barockschlosses. Die Antwort war natürlich: nein. Denn Mörsch und damit die hier versammelten Autoren fühlen sich den Werten der „klassischen“ Denkmalpflege verpflichtet. Ihnen gilt der authentische Originalbestand mehr als der verführerisch-schöne Schein einer Nachschöpfung. Dennoch wissen diese Autoren: Ein stures Beharren auf der reinen Lehre à la Dehio und Riegl kann nicht alle Probleme der modernen Denkmalpflege lösen.
Mit dem Titel „Denkmalwerte“ wird auf ein modernes Konzept rekurriert, das aus den angelsächsischen Raum bekannt ist: Dort gibt es ein „wertebasiertes Denkmalmanagement“. Das heißt: Man stellt als erstes die Frage: Was ist da? Welche Werte sind vorhanden? Daraus leiten sich dann Grundlagen für das Handeln ab, die in einem Denkmalpflegeplan (conservation plan) verbindlich festgehalten werden.
In einem ersten Themenblock setzen sich die Autoren denn auch mit „alten und neuen Werten“ auseinander. Dabei wird durchaus eine „Erneuerung“ der Thesen der Altvorderen, hier namentlich Alois Riegls, gefordert. In einem zweiten Teil „Bild und Substanz“ wird dann durchaus der „Schauwert in der Denkmalpflege rehabilitiert“ – aber eben nicht der „Antagonismus von Bild uns Substanz“ einseitig zugunsten des Bildes aufgehoben. In einem weiteren Teil geht es um „Geschichte und Moderne“ – schließlich ist die Moderne noch nicht lange Zeit Gegenstand denkmalpflegerischer Bemühungen. Mit einem Praxisteil mit Fallbeispielen klingt das Buch aus.
Bleibt zu fragen: Welchen „Wert“ hat nun ein solcher Sammelband? Es stellt aktuelle Positionen der Denkmalpflege zur Debatte. Somit ist es „Literatur“, die schnell auch einen Architekten in der Praxis betreffen kann, wenn er denn an einem schützenswerten Bestandsbau arbeitet. Und das betrifft ja einen nicht ganz kleinen Teil der alltäglichen Arbeit des Architekten. (-tze)
DENKmalWERTE – Beiträge zur Theorie und Aktualität der Denkmalpflege
Hans-Rudolf Meier, Ingrid Scheurmann (Hg.)
Deutscher Kunstverlag Berlin München, 2010
272 Seiten, gebunden
39,90 Euro
Zum Thema:
Erschienen in der Baunetzwoche#233 „Urbane Mobilität“