Damien Hirst und Jeff Koons teilen den Kunstmarkt unter sich auf. Mit der Beschreibung dieses Bildes (an sich schon genug Stoff für eine eigene Geschichte) beginnt Michel Houellebecq seinen Roman „Karte und Gebiet“. Dieses fiktive Treffen zweier Stars der aktuellen Kunstsszene ist eine gemalte Momentaufnahme von Jed Martin aus seiner „Serie einfacher Berufe“. Eine, die ihm nicht gelingen will. Die einzige, die ihm nicht gelingt.
Sein künstlerisches Schaffen entwickelt sich im Laufe der ersten Kapitel ziemlich rasant steil nach oben. „Die Karte ist interessanter als das Gebiet“ , heißt seine erste Ausstellung. Mit abfotografierten Michelinkarten erlangt er einen Durchbruch in der Pariser Kunstszene, mit seinen gemalten Portraits aus der „Serie einfacher Berufe“erreicht er Ruhm und Reichtum. Es ist also ein typischer Houellebecq: Schöne, erfolgreiche Menschen werden noch erfolgreicher, treffen auf reiche Menschen, werden noch reicher und am Ende: einsam. Jed Martins Vater ist Architekt und unglücklich erfolgreich. Ein Einzelkämpfer. Auch die Pressedame Olga, angeblich eine der fünf schönsten Frauen, die Paris zu bieten hat, verläuft sich auf der Suche nach dem Glück. Soziale Verwahrlosung in modernen Zeiten eben. Kontrastierend dazu das Chaos im Künstleratelier und das Bild eines alternden Mannes: Todesbote in Gestalt des Autors höchstpersönlich. Er wird als der „boshafte Autor der ‚Elementarteilchen‘“ beschrieben – der „einer alten kranken Schildkröte ähnelt“. Ja, sehr selbstkritisch und ironisch ist dieses Buch. Das Bild „Michel Houellebecq. Schriftsteller“, ein Geschenk des Künstlers an seinen Schriftstellerfreund, wird gestohlen, ist verschollen, taucht durch einen Zufall wieder auf und wird letztendlich, nachdem sein Wert sich immer und immer wieder hochgeschaukelt hat, für satte zwölf Millionen Euro an einen indischen Mobilfunkanbieter verkauft.
Souverän wird auch der Weltekel zwischen den Zeilen versteckt. Kühn und klar erzählt, gut konstruiert, spannt Houellebecq den Roman auf mehreren Ebenen und mischt die Genres. Nicht nur der Hund muss sterben. Die Wahrheit ist so böse wie dieses Buch. (Jeanette Kunsmann)
„Karte und Gebiet“
Michel Houellebecq
Dumont 2010
419 Seiten, Hardcover
22,99 Euro
www.dumont-buchverlag.de
Zum Thema:
Erschienen in der Baunetzwoche#225 „54. Biennale Arte“