Das Foto seiner Tochter ist eine Ikone der modernen Fotografie. Der halbseitige Ausschnitt aus dem Gesicht der kleinen Lotte war erstmals 1929 auf der Werkbundausstellung„Film und Foto“ in Stuttgart zu sehen – zusammen mit anderen Fotografien von Max Burchartz. Die Teilung der Gesichtshälfte und ihre Reduktion auf die linke (im Foto dann rechte), Lippen und Stirn angeschnitten, während der schwarze runde Hut und ein leere Raum den größten Teil der rechten Bildhälfte ausmachen, entstammt einer der vielen Portrait-Studien Burchartz von dem kleinen Mädchen.
Max Burchartz, 1887 in Elberfeld geboren, studierte von 1907 bis 1910 an der Kunstakademie Düsseldorf.Von 1919 bis 1924 in Weimar lebend, kam Burchartz in Kontakt mit dem Bauhaus. Der Universalist zählte zur Avantgarde, die 1922/23 mit dem spektakulären Kongress der Konstruktivisten und Dadaisten in Weimar Kritik am Bauhaus übte. Beeinflusst von der niederländischen De Stijl-Lehre, wandte er sich vom Expressionismus ab und dem Konstruktivismus zu. Einen weiteren radikalen Schnitt zog er, als er seine Malerei aufgab und sich ganz der Neuen Gestaltung in Typografie und Werbung verschrieb. 1924 gründete der 37-jährige Burchartz mit Johannes Canis in Bochum die Reklameagentur „werbe-bau“. 1927 wurde Burchartz zum Professor für Typografie an die Folkwangschule in Essen berufen und übernahm auch die Leitung der Fotoklasse. In der Nazi-Zeit als Professor entlassen und als Maler „entarteter Kunst“ geächtet, gestaltete er für seinen Gelderwerb Propagandawerke zu Wehrmacht, Soldatentum, Raum und Volk im Weltkrieg. Nach dem Krieg wurde er erneut an die Folkwangschule berufen, leitete die Grundlagenkurse und veröffentlichte Werke zur Kunsterziehung und Gestaltungslehre.
Obwohl Burchartz mit seiner Arbeit zu den Pionieren des modernen Designs gehört und mit Gestaltern wie Peter Behrens und Anton Stankowski verglichen werden kann, hat sein Name nie den gleichen Bekanntheitsgrad erhalten. Dennoch fußen viele Grundprinzipien heutigen Kommunikationsdesigns, wie etwa die Gestaltung von Farbleitsystemen, auf seiner Arbeit. Am 31. Januar 1961 starb Max Burchartz in Essen. Ein Jahr nach seinem Tod erschien das von ihm redigierte Buch „Schule des Schauens“. Im letzten Jahr erschien erstmals eine umfassende Monografie, die sich sowohl dem Werk als auch der Person Max Burchartz detailliert widmet. Herausgegeben von Gerda Breuer vervollständigen verschiedene Autoren das Bild des Malers, Grafikers und des ersten radikalen, kompromisslosen Vertreters der Neuen Typografie, in all seinen Facetten – eine interessante Entdeckung. (Jeanette Kunsmann)
Max Burchartz
1887-1961 Künstler Typograf Pädagoge
Herausgegeben von Gerda Breuer
Jovis Verlag, Berlin 2010
Hardcover, 320 Seiten
23 x 30 cm
42 Euro
Zum Thema:
Download der Baunetzwoche#214 „Der Bücherfrühling“