Als alles perfekt ist, bekommt sie kalte Füße: Auf dem Zenit ihres Erfolgs zieht die niederländische Designerin Hella Jongerius plötzlich von Rotterdam nach Berlin. Dabei scheint alles so „rund“ im Jahr 2008: das schöne Haus, die Kinder in der Schule um die Ecke, das Atelier nur einen Block entfernt, das Team des Designstudios perfekt eingespielt. Doch Hella Jongerius wird bewusst, dass sie von der Gestalterin zur Managerin geworden ist. Und dass keine Zeit mehr bleibt für das, was sie an ihrem Beruf am meisten liebt: das Experiment.
„Hella Jongerius: Misfit“ ist das druckfrische Buch zur gleichnamigen Ausstellung im Museum Boijmans Van Beuningen in Rotterdam. Und damit zu Hollands international gefeierter Designerin, deren Entwürfe selbst oft mit dem Reiz des Unfertigen spielen, ohne dass man je das Gefühl hätte, hier würde etwas fehlen: Collagen, handgenähte Modelle, offene Enden, Skizzen und jede Menge Farbstudien – mit diesem Buch taucht man ein in den „Kosmos Jongerius“. Und in jedem Foto findet man sie: die Liebe zum Detail, die Liebe zum Handgemachten, manchmal zum Verspielten oder gar Skurrilen. Bei den Arbeiten von Hella Jongerius hat man einfach das Gefühl, dass Kopf und Hände eine untrennbare Einheit bilden und sich in einer permanten Rückkopplungsschlaufe austauschen. Und dass „Handarbeit“ eben auch „Kopfarbeit“ ist.
Dass sie dabei vor kaum einem Material zurückschreckt, beweisen unter anderem die Designstudien aus dem „Chicle Project“ (Kaugummi-Projekt). Und sie schafft es, selbst solch eher negativ assoziierten Gestaltungsmedien ästhetische Qualitäten abzugewinnen. Kein Wunder, dass man nicht nur in ihren „Limited Editions“ kaum noch sagen kann, wo hier Kunst anfängt und Design aufhört.
Dabei ist das ungewöhnlich gebundene Buch selbst eine kleine Collage und fordert zum Gestalten auf: Auf dem Umschlag ist die Skizze einer Vase zu sehen, die man mit fünf selbsthaftenden Folien farblich variieren kann. „I want to literally plunge my hands into the material.“, sagt die Designerin in einem der vier fingierten Interviews, die die Kuratorin Louise Schouwenberg dem Buch mitgegeben hat. Ob fingiert oder nicht – diesen Satz glaubt man sofort.
(Cordula Vielhauer)
Hella Jongerius: Misfit
Herausgegeben von Louise Schouwenberg
Phaidon Verlag, Berlin 2011
308 Seiten, Englisch
39,95 Euro
Zum Thema:
www.jongeriuslab.com
Wissenswertes zum Thema Design und Hella Jongerius – vom Nilpferd in der Porzellanschale bis zur Maus auf dem Elefanten – auf www.designlines.de.