Die Finanzkrise hinterlässt Spuren: Verwaiste Baustellen in Dubai, Moskau und Berlin. Leere Frachtcontainer in den Häfen von Hamburg und Rotterdam. Da passt es gut, dass die stählernen Transportbehälter und Bauarbeiter-Behausungen selbst ein hervorragendes Baumaterial sind – preiswert und weltweit verfügbar. Im Gestalten-Verlag ist nun der „Container Atlas“ erschienen. Die Monographie mit dem Untertitel „Handbuch der Container Architektur“ hat der Architekturprofessor Han Slawik gemeinsam mit seinen Mitarbeitern vom Lehrstuhl für Experimentelles Entwerfen und Konstruieren an der Leibniz Universität Hannover zusammengestellt. Es ist das erste Buch, das sich systematisch mit der architektonischen Verwendung der Stahlbehälter auseinandersetzt.
Um einen ganzheitlichen Überblick zu geben, beginnt das Werk mit Container-Geschichte. Dann werden Typen und Spielarten vorgestellt - Frachtcontainer, Baucontainer, die Container-Rahmenbauweise. Neben konstruktiven und bauphysikalischen Aspekten der unterschiedlichen Kisten-Module werden im ersten Abschnitt des Wälzers auch ökonomische und ortspezifische Begebenheiten thematisiert. Dazu gehören die Berücksichtigung klimatischer Bedingungen sowie die Akzeptanz der Container-Bauweise, die je nach der kulturellen Prägung eines Landes unterschiedlich ausfällt.
Der Schwerpunkt aber liegt – wie immer beim Gestalten-Verlag – auf einer Fülle von Bildmaterial. Hochglanz-Fotos zeigen den Variantenreichtum der Container-Architektur: Schicke Chalets in den kanadischen Bergen, temporäre Toilettenhäuschen in Magdeburg, das umherziehende Nomaden-Museum von Shigeru Ban. Daneben imageschwere Eventarchitektur von Marken wie Freitag, Puma oder Platoon. Schade nur, dass in der schönen Bilderflut einzelne Projektinformationen untergehen.
Den Abschluss bildet ein Ausblick, der nochmals das große Potential der flexiblen Gebäudelösungen betont; plus eine Zeittafel, die einen anhaltenden Trend zur Architektur aus den vielgereisten Stahlkisten erkennen lässt. Die Graphik funktioniert als Beweis: Das Buch trifft den Nerv der Zeit.
Der Container Atlas ist ein Buch, das sowohl dem interessierten Laien als auch dem Fachmann Spaß machen wird. Wer nach dieser Lektüre Lust bekommt, sich sein eigenes Container- Schlösschen zu bauen, der findet praktische Tipps und eine ordentliche Portion Inspiration für die Gestaltung. Wer weiß, vielleicht kommt Franco Stella ja auch noch auf den Trichter, sein Berliner „Stadtschloss der Weltkultur“ aus globalisierten Kisten zu bauen? Billiger und moderner wäre es in jedem Fall. (lr)
Michael Reisch
Container Atlas
Handbuch der Container Architektur
Gestalten Verlag, April 2010
256 Seiten mit farbigen Abbildungen
24 x 30 cm, 49,90 Euro
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