Iwan Baan ist momentan „der“ Architekturfotograf. Seit Rem Koolhaas 2005 den Niederländer für erste Architekturaufnahmen engagiert hat, arbeitet Baan für alles, was in der Architekturszene Rang und Namen hat. Und wirklich: Ihm ist es gelungen, die Architekturfotografie zu revolutionieren. Bevorzugten Architekten jahrelang eine überästhetisierte Inszenierung ihrer Projekte, so wagte Baan es, auf seinen Fotos Menschen vorkommen zu lassen. Menschen, die darüber hinaus auch nicht extra für die Aufnahmen in Szene gesetzt wurden, sondern anscheinend wirklich zufällig auf das Foto gekommen sind, weil sie gerade an der Stelle, wo das Foto aufgenommen wurde, die Straße entlang liefen.
Nun hat Iwan Baan im Auftrag des Schweizer Verlegers Lars Müller die zwei Architekturikonen Brasilia und Chandigarh fotografiert. Beide Städte – Exporte der Moderne in zwei ehemalige Dritte-Welt-Länder – versuchen seit rund fünfzig Jahren, eine fremde, ihnen aufoktroyierte Architektur mit der jeweils eigenen Kultur in Einklang zu bringen. Baan zeigt, wie das gelingt: wie sich die Menschen die von den Architekten erdachten Utopien angeeignet haben und wie das wiederum die Architektur verändert. Interessant dabei ist es zu sehen, welche Gemeinsamkeiten in beiden Städten dabei entstehen und welche Unterschiede geblieben sind.
Die Fotografie-Ästhetik Baans tut dabei diesen Momentaufnahmen gut. Herausgekommen ist ein Bildband, der einen realistischen Blick auf zwei Städte wirft, die aus einer theoretischen Planungseuphorie geboren wurden und zu Orten geworden sind, in denen Menschen eine eigene Bewohner-Identität entwickelt haben. (um)
Iwan Baan
Brasilia – Chandigarh
Living with Modernity
Essay von Cees Nooteboom
Lars Müller Publishers
39,90 Euro
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