LED-Zahlen schwimmen in einem dunklen Wasserbecken. Licht fällt durch einen schmalen horizontalen Spalt in der Sichtbetonwand. Weit entfernt wurden in einer anderen Wand über 15.000 kubenartige Spiegel installiert, die ihre direkte Umgebung in die Landschaft reflektieren. Leere. Stille. Ruhe.
Naoshima gilt als die perfekte Koexistenz von Natur, Architektur und Kunst. Die japanische Insel in der Seto Inland Sea vor der Westküste Japans ist ein Gesamtkunstwerk. Gerade mal 3.300 Menschen leben hier zwischen Natur, Landschaftskunst und Bauwerken von Tadao Ando, SANAA und Kazuhiro Ishii. Kreiert wurde dieses Paradies von dem Verleger Tetsuhiko Fukutake und seinen Erben, die hier seit den Neunzigern einen Ort der Entspannung und der intensiven Kunsterfahrung schaffen. Die Grenze zwischen Betrachter und Kunstwerk soll aufgehoben werden. Denn nur Kunst könne helfen, das Verhältnis von Natur und Individuum, Körper und Geist, Wichtigem und Überflüssigem zu überdenken, erklärt Tetsuhiko Fukutake in einem Interview.
Das Chichu Art Museum von Tadao Ando, das erst 2004 eröffnet wurde, ist nur eine eine von zahlreichen Ausstellungsstätten. Selbst das Ufer ist hier von Metallgitterskulpturen, mannshohen reflektierenden Stahlscheiben und schiffbugförmigen Gebilden gesäumt – man könnte von weitem vermuten, es handle sich um echte Wracks. In Andos größtenteils unterirdischem Gebäude ist durch die labyrinthartigen Gänge ein Stück begehbare Avantgardekunst, maßgeschneidert für die Licht-Installationen von James Turrell und Walter de Maria, sowie ein paar der Wasserlilien-Ölbilder von Claude Monet entstanden.
Weitere meditative Bauten von Ando zeigen Arbeiten von Jackson Pollock, Cy Twombly, Bruce Nauman, Richard Long oder David Hockney. Sorgfältig restaurierte, traditionelle japanische Gebäude werden für Kunstprojekte genutzt, etwa für ungewöhnliche Installationen von Hiroshi Sugimoto. Erst Ende Mai 2010 wurde auf der Kunstinsel ein eigenes Museum für den koreanischen Maler Lee Ufan eröffnet.
Eine Insel wie Naoshima, die zahlreiche Museen und Kunstprojekte vereint, hat selbstredend auch eine kunstvoll gestaltete, aber unaufdringliche Infrastruktur. Die Anlegestelle der Fähre am Miyanoura Port, einer der drei Insel-Häfen, wurde von SANAA gestaltet (2006).
Vor kurzem ist nun endlich eine ausführliche Dokumentation über Naoshima erschienen, die nicht nur die Projekte vorstellt, sondern auch das besondere Wesen der Insel spürbar macht. Die sanften Fotografien von Naoya Hatakeyama und Osamu Watanabe zeigen das vielfältige Bild der japanischen Museumsinsel.
Es heißt ja, die Wahrscheinlichkeit, glücklich zu sein, sei auf einer Insel größer als auf dem Festland. In Naoshima bekommen Glückshormone zusätzlich eine besondere Ästhetik. (jk)
Noashima
Nature, Art, Architecture
Fotografien von Naoya Hatakeyama, Osamu Watanabe
Text von Miwon Kwon, Kayo Tokuda
Englisch, Japanisch
Hardcover, 232 Seiten,
39,80 Euro
Dieses Buch bei Amazon bestellen