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01.09.2010

Sanctuary. Fotoband der Fellini-Filmstadt

Bücher im BauNetz


Saloonartige Westernstadt-Architektur gammelt vor sich hin, die Steinfassaden römischer Tempel und Palazzi bröckeln. In Cinecittà findet sich ein wilder Stilmix verschiedenster Epochen. Seit einem Brand im Jahr 2007 ist die ehemalige Filmstätte des großen italienischen Kinos nicht mehr als eine Stadt aus Stuck- und Sperrholzruinen. Auf einer Rom-Reise stattete der New Yorker Fotograf Gregory Crewdson der Filmstadt einen Besuch ab und war sofort fasziniert von den heruntergekommenen Szenarien. Kurze Zeit später kehrte er mit einem kleinen Team zurück an den Ort, wo Frederico Fellini und  Roberto Rosselini einen Großteil ihrer Filme drehten. Im Juni letzten Jahres entstanden hier eindringliche Schwarz-Weiß-Fotografien, die nun in dem Fotoband „Sanctuary“ erschienen sind.

Sanctuary, das heißt soviel wie Zufluchtsort oder Heiligtum. In seinem Einführungstext „Zu Besuch in Rom“ beschreibt der Yale-Professor die Fassaden der Filmstadt als „Illusionen, die ins Nichts projiziert werden“. Normalerweise inszeniert Crewdson seine Bilder aufwändig, im Stil von Hollywoodproduktionen mit professionellen Schauspielern, hier arbeitete er fast ausschließlich mit Tageslicht und fotografierte die Filmstadt menschenleer. Entstanden sind 41 Tafeln. Manche zeigen massiv wirkende, bröckelnde Bauten, andere Bilder entlarven die Fassaden als bloße Attrappen – nach außen hin schwere Renaissance-Paläste sind plötzlich Bretterbuden: Holzlatten oder Wellbleche, die von filigranen Gerüsten gehalten werden und ausschauen, als könne sie der nächste Windstoß einfach wegblasen.
Der New Yorker zeigt Cinecittà als Geisterstadt. Verlassene Straßenzüge, aus deren unebenem Pflaster und Bordsteinfugen Gräser und Brennessel sprießen. Der bewölkte Himmel spiegelt sich in Pfützen, es herrscht eine nass-nebelige Atmosphäre.


Crewdsons Interesse an den „fließenden Grenzen zwischen Realität und Fantasie, Natur und Kunst sowie Schönheit und Vergänglichkeit“ wird auch in dieser Bilderserie deutlich. Man könnte sie als symbolisches Zeichen der Vergänglichkeit des Goldenen Kinozeitalters Italiens verstehen. Die Filmstätte erlebte ich Hochzeit in den 1950er Jahren mit den Filmen Fellinis, in den 60ern drehte Sergio Leone hier seine Italo-Western wie „Für eine handvoll Dollar“. Martin Scorceses „Gangs of New York“ hauchte den Kulissen nochmal Leben ein. Aber heute regiert das Trash-TV die Filmstadt: In einem Containerhaufen wird die italienische Version der Realityshow „Big Brother“ gedreht.

Mit einem Format von 39 x 31 cm eignet sich das Buch eher nicht für das Bücherregal, sondern gehört auf die Wohnzimmertische von Cineasten und Liebhabern der Schwarz-Weiß-Fotografie. (lr)

Sanctuary

Gregory Crewdson
Hatze Cantz Verlag (Juli 2010)
Sprache: deutsch


38,8 x 31 x 2 cm, gebunden



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