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16.12.2016

Atlas der seltsamen Häuser und ihrer Bewohner

Buch von Niklas Maak – eine Besprechung


Von Sophie Jung
 
Nicht die gelungenen, bedeutenden und ikonischen Gebäude stellt Niklas Maak in seinem neuen Band „Atlas der seltsamen Häuser und ihrer Bewohner“ vor. Es sind die abwegigen Architekturen, denen er Aufmerksamkeit schenkt. Es sind die bizarren und gescheiterten Wohnhäuser, die nicht in der Architekturgeschichte auftauchen aber viel erzählen können. Maak stellt überraschend unbekannte Schätze wie ein Betonkugelhaus des Architekten Dante Bini oder Kuriositäten wie ein zusammengezimmertes Küstenhaus in einem einst illegalen Shantytown vor, das man sich vielleicht am mexikanischen Pazifik, nicht aber am französischen Atlantik vorstellen würde. Fünfzehn solch merkwürdige Orte suchte Maak für seinem Atlas auf. Das beginnt mit dem Einfamilienhaus nebenan und führt zur Villa in Nairobi.
 
Lose vom Globus liest Maak seine Häuser und ihre Bewohner auf, an ästhetischen Werten orientierte sich der Architekturkritiker dabei nicht. Vielmehr ist sein Band, wie er selbst schreibt, eine „Anti-Architekturgeschichte“. Sie beginnt mit den unbeachteten Seltsamkeiten von Wohnhäusern – mit dem krumm geschnittenen Buchsbaum in der Zufahrt oder dem arabischen Erker eines französischen Provinzhauses – und spinnt ihre Fäden vom architektonischen Detail zu ihren Bewohnern und bis in die Welt hinaus. Hinter dem arabischen Erker etwa grübelte der Architekt Jacques Barrière lange über dem Modell einer gigantomanen Moschee, die er für Saddam Hussein in Bagdad errichten sollte. Jahre nach dem Fall des Diktators im Irak sucht Maak ihn auf und ordnet mit eleganten feuilletonistischen Schwüngen das mittlerweile verstaubt neben einer Kühltruhe lagernde Pappmodel samt daneben auftauender Rehkeule noch einmal in das Weltgefüge ein.

Manchmal wirbelt der Autor jedoch zu gewollt mit seiner Kritikerfeder über den Globus. Dann lässt er mal eben in drei Sätzen die „unsichtbaren Phänomene“ vom Klon-Baby über das TTIP-Abkommen bis zum ersten i-Phone von Apple mit der Erdkugel rotieren. Wenn er dann noch unermüdlich Vergleiche zieht, Tokio nicht einfach nur eine außergewöhnlich saubere Stadt sein kann, sondern gleich so sauber sein muss als „hätten zehntausend Schweizer Multimillionäre Sao Paulo mit Staubsaugern und Bürsten gereinigt“, dann übertönt Maak in viel zu grellen Farben die sehr feinen Partien seines Buches.
 
Der Atlas der seltsamen Häuser und ihrer Bewohner ist nämlich nicht nur ein origineller Spaziergang über die Weltkugel, sondern eine tiefgründige Sammlung von Orten, an denen sich Empfindsamkeiten bündeln und zu persönlichen Geschichten werden. Maak kann sich Zeit lassen für die zarten, menschlichen Details und er kostet sie mal humorvoll aus, mal bedenkt er sie feinfühlig. Besonders schön ist etwa diese Passage aus dem Kapitel über ein anonymes Pariser Apartmenthauses, dessen längst vergessene Bewohner er in Archiven ausfindig zu machen versucht. Über sich und den Archivar reflektiert er in diesem Zusammenhang in der dritten Person: „Über beiden hängt eine ständige Unruhe und die diffuse Ahnung, dass das spekulierende Eindringen in das verborgene Leben dem eigenen eine andere Richtung geben könnte.“ Da erschreckt der Autor wohl einmal kurz vor sich selbst. Derartige persönliche Raisonnements decken einen besonderen Zug des Bands auf: Der eigentliche Protagonist, der sich denkend und fühlend durch alle 15 Geschichten des Atlas zieht, ist Niklas Maak selbst.

Niklas Maak
Atlas der seltsamen Häuser und ihrer Bewohner
256 Seiten
Hanser Verlag
Fester Einband
Preis: 20,00 Euro (Deutschland)



Zum Thema:

www.hanser-literaturverlage.de


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