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12.03.2025

Buchtipp: Strenge Fotografien

Brutalism in Belgium 1950-1980


Maximal sechs Aufnahmen, immer schwarz-weiß, immer frontal oder in festgelegten Winkeln – so streng hat man Belgien wohl noch nicht gesehen. Rund 60 Gebäude, die im weiteren Sinne dem Brutalismus zugerechnet werden können, hat sich der Architekt Pierrick de Stexhe landesweit vorgenommen und jedes nach selbst gesetzten, strengen Regeln abgelichtet. Die Ergebnisse lassen sich nun in einer Publikation mit dem entsprechend spröden Titel Brutalism in Belgium, 1950–1980 begutachten.

Alle Gebäude müssen freistehen, um sie als Skulpturen einfangen zu können – wie „Totems aus Beton“, so schreibt Autorin Jacinthe Gigou in ihrem einleitenden Essay. Alle Fotos sind mit der Analogkamera gemacht und leicht überbelichtet, damit Licht und Schatten reduziert werden und die Gebäude wie in gut gefiltertem Museumslicht erscheinen. Der absolut ebenmäßige Himmel in hellem Grau sorgt für keinerlei Ablenkung. Pierrick sei gewandert und habe gewartet, schreibt Gigou, „auf der Suche nach Tagen so grau wie Zement“, um die Gebäude dann im genau richtigen Moment abzulichten. Es entsteht eine trockene Strenge, die versucht, jede Interpretation dieser Architekturen zu vermeiden.

Es ist ein herrliches Buch, wenn man sich auf diese Strenge einlässt. Von den sechs Aufnahmen, die de Stexhe gemacht hat, zeigt er uns pro Gebäude höchstens drei, und nur selten einen Innenraum. In streng chronologischer Reihe werden die Projekte mit knappem Steckbrief vorgestellt. Von Antwerpen, Gent und Brüssel bis nach Namur, Liège und Charleroi. Ob in der Stadt oder auf dem Land – der Kontext ist eh selten zu sehen, Menschen oder Autos fast nie, gelegentlich der Ausschnitt einer Straße oder einer Nachbarschaft.

Hier und dort begegnen uns bekannte Namen wie Juliaan Lampens, Charles Vandenhove oder Léon Stynen. Aber von einem Großteil der Beteiligten hat man vermutlich nie zuvor gehört. So sind es die Entdeckungen, die das Buch selbst zur Entdeckung machen: Fotos, bei deren Anblick einem kurz der Atem stockt: das Roelants House in Sint-Martens-Lennik von 1962, das wie ineinander geschobene Wohnwagen aus Beton aussieht; die übereinander gestapelten Betonkabinen des Ferien-Resorts Park Atlantis in De Haan von 1974; die weichen Betonaugen des CBR Building in Brüssel von 1970; oder die sakrale Wirkung der Sichtbetonburg aus imposanten Fertigteilen in Louvian-la-Neuve, die ab 1975 als Wissenschaftliche Bibliothek und seit 2015 als Universitätsmuseum Musée L genutzt wird.

Zwei weitere, kurze Essays gliedern die fotografische Reise in drei Teile: Jean-Marc Basyn sinniert über die Schwierigkeit, Brutalismus als Stil zu definieren. Marc Dubois geht den zwei dominierenden Materialien – Sichtbeton und Backstein – in der belgischen Architektur nach. Den Schwerpunkt des Buches aber bilden die Fotos. Am Ende der 260 Seiten langen Tour kann man die Faszination, die de Stexhe für diese sehr spezielle Architektur hegt, sehr gut verstehen. Vielleicht sogar teilen. Auf jeden Fall möchte man sofort nach Belgien reisen, um viele dieser Gebäude selbst zu sehen – dann aber in Farbe, bitte.

Text: Florian Heilmeyer

Brutalism in Belgium, 1950-1980
Pierrick de Stexhe (Hg.)
Gestaltung: Salut Public Bruxelles
264 Seiten, Englisch und Französisch
Prisme Editions, Brüssel 2024
ISBN 978-2-930451-47-3
49 Euro


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