Auch wer wenig über den Architektur- und Stadtplanungsdiskurs in der DDR weiß, kennt auf jeden Fall einen wortgewaltigen Protagonisten: Bruno Flierl. Flierl war einer der profiliertesten Architekturtheoretiker und -kritiker des Landes und schaltet sich bis heute produktiv in aktuelle Debatten ein – vor allem, wenn es um die Zukunft Berlins und den Umgang mit dem baulichen Erbe der DDR geht.
Die biographischen Eckdaten sind hinlänglich bekannt: 1927 im schlesischen Bunzlau geboren, kam er nach dem Krieg ins zerstörte Berlin. Dort gehörte er zur ersten Generation junger, von den Kriegserlebnissen traumatisierter Studenten, die an der damaligen Hochschule für Bildende Künste Architektur zu studieren begann. Als überzeugter Kommunist war für ihn dort aber rasch kein Platz mehr. Er ging in den Osten, schloss sein Studium in Weimar ab und arbeitete von 1952–61 und 1965–79 an der Deutschen Bauakademie beziehungsweise der Bauakademie der DDR. Für kurze Zeit (1962–64) war er Chefredakteur der Zeitschrift Deutsche Architektur, geriet aber auf Grund seiner kritischen Haltung mit der SED in Konflikt. Anfang der Achtzigerjahre war er schließlich an der Humboldt-Universität Dozent für Architektur und Stadtentwicklung, danach nur noch freiberuflich aktiv. Zu seinen wichtigsten Tätigkeiten nach der Wende zählt sicherlich die Arbeit in der Internationalen Expertenkommission Historische Mitte Berlin.
Heute feiert Bruno Flierl seinen 90. Geburtstag, und bei einem Mann des Wortes gehört zum runden Geburtstag natürlich auch ein Buch. Philip Meuser, Herausgeber von DOM publishers, nahm sich dieser Aufgabe an und legt nun unter dem Titel „Architekturtheorie und Architekturkritik“ eine Textsammlung vor. Das Buch präsentiert 20 Texte Flierls aus den Jahren 1968 bis 2016, an Hand derer man gut nachvollziehen kann, wie er zeitlebens an einer Beurteilung der Wechselbeziehungen von Architektur und Gesellschaft arbeitete.
Jedem der fünf Kapitel des Buches stellte Flierl eine knappe, persönlich gehaltene Standortbestimmung voran und auch das Vorwort stammt von ihm selbst. Auf einen kommentierenden Herausgeber wurde also verzichtet, stattdessen blickt der Autor hier selbst auf seine Arbeit zurück. Eine angemessene Haltung bei einem Jubilar, der sich bester Gesundheit erfreut und der noch immer an den Debatten beteiligt ist. Man darf sich also darauf freuen, seine kritische Stimme auch in Zukunft noch oft zu hören! (gh)
Bruno Flierl
Architekturtheorie und Architekturkritik
Texte aus sechs Jahrzehnten
DOM publishers, Berlin 2017
Softcover, 224 Seiten
28 Euro
www.dom-publishers.com