Eher architektonisches Kommunikationsdesign als Architektur im klassischen Sinne hat
Bruno Gaudin (Paris) in der Bibliothèque Nationale de France in Paris umgesetzt. Eine klare Raumorganisation hatte das historische Gebäude nahe dem Louvre auch nötig. Mit weit verzweigten Gängen, über 30 Treppen, diversen Sälen, Kammern und Magazinen spannte es ein beachtliches, labyrinthisches Netz durch das zweite Arrondissement. Hinter der einheitlichen Fassade kaum erkennbar, war die Bibliothek seit ihrer Gründung im 17. Jahrhundert zu einem unzugänglichen Organismus angewachsen, an dessen komplexer Baugeschichte wohl jeder wichtiger Baumeister in Paris seit dem Barock teilhatte.
Die erste von zwei Umbauphasen zur Restaurierung und Modernisierung der Bibliothek wurde soeben abgeschlossen. Dabei stand der leitende Architekt Bruno Gaudin vor der Herausforderung, bei laufendem Betrieb eine zeitgenössische Bibliotheksorganisation zu implementieren und dabei alle aktuellen Normen und Sicherheitsstandards einzuführen. Seine Arbeit an der Architektur ist nur wenig an der Oberfläche ablesbar, aber grundlegend für das Funktionieren einer Bibliothek, die – obwohl Dominique Perraults Büchertürme von 1996 die Institution bereits räumlich entlasten – immer noch von vielen Besuchern frequentiert wird.
Gaudins Lösung für eine klare Raumorganisation ist einfach. Er legte horizontale und vertikale Verbindungsachsen durch die öffentlichen Partien des Baus. Über Durchbrüche schuf er eine fortlaufende Lobby an der Längsseite des Gebäudes. Diese wurde zu einem Empfangsfoyer umgewandelt, an dessen Stirnseiten jeweils ein offzieller Eingang zur Bibliothek und ein Treppenhaus als zentrale Erschließungsmöglichkeiten liegen. Im Besuchertrakt der Bibliothek unterstützen neue, durchquerbare Lesesäle in einst geschlossenen Räumen sowie eine Glasgalerie über dem Ehrenhof Gaudins Konzept der horizontalen Achsen. Insgesamt verwandte Gaudin für seine sichtbaren Umbauten und Hinzufügungen einheitlich Holz, Metal und Naturstein. Über eine indirekte Kunstbeleuchtung homogenisierte er die Lichtverhältnisse in den sehr unterschiedlichen Räumlichkeiten.
Das enorme Zentralmagazin, von Henri Labrouste als elfstöckige Eisenkonstruktion 1868 in den Gebäudekomplex der Bibliothek integriert, passte Gaudin den aktuellen Sicherheitsnormen an und schuf mehr Lagerraum. Er zog neue Decken ein, stärkte die Eisengitterstruktur und ergänzte sie teilweise durch Aluminiumkonstruktionen. Den offenen Dachstuhl wandelte er in zusätzliche Büroräume für die Administration um.
Ganz klassische Restaurationsarbeiten fanden ebenfalls an der Bibliothek statt: Außen sind nun neue Fenster und die aufgefrischte Putzfassade sichtbar. Innen sind vor allem alte Dekorationen – Wandmalereien und Mobiliar – aufgedeckt und restauriert worden. Unter der Ägide von Chefrestaurator
Jean-Francois Lagneau (Paris) wurde der wohl berühmteste Saal der Bibliothek, der Labrouste-Lesesaal mit der byzantinisierten Stahlkuppeldecke, wiederhergestellt. Jetzt überrascht er mit hellen Grau- und Blautönen, dabei hatte die Patina der letzten Jahrzehnte, die bislang auf den Fotoaufnahmen des Saals zu sehen war, den beeindruckenden Raum schon längst als goldbraun im kollektiven Bewusstsein verankert.
(sj)
Fotos: Marchand Meffre, Takuji Shimmura
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