Man sieht es an der Helsinkier Zentralbibliothek Oodi oder der kleinen Stadtbibliothek Seinäjoki: Finnische Bibliotheken sind eher multifunktionale Kulturzentren als stille Lesesäle mit meterlangen Bücherregalen. 3D-Drucken, Musikmachen, Kaffeetrinken und ja, auch Lesen ist möglich. Ebenso in der im Oktober 2020 eröffneten Stadtbibliothek Fyyri in Kirkkonummi. Entworfen wurde sie vom Helsinkier Büro JKMM Architects, das 1998 mit dem Wettbewerbsgewinn für die Stadtbibliothek Turku seinen ersten Auftrag ergatterte, zuletzt das Museum Amos Rex erweiterte und derzeit die Erweiterung des finnischen Nationalmuseums plant.
Der Fokus auf den Austausch von Wissen und Erfahrungen – über verschiedenste Kanäle – habe die Typologie Bibliothek verändert, so Teemu Kurkela, Partner bei JKMM. Sie seien heute Orte der Inspiration, Orte, an denen man Neues lernt und zusammenkommt, ähnlich wie in Gemeindezentren. Aus diesem Grund bezeichneten die Finnen Bibliotheken heute als öffentliche Wohnzimmer. Das Raumprogramm in Kirkkonummi: Bibliothek, Veranstaltungsräume, Büroflächen und ein Café mit einer 198 Quadratmeter großen Leselounge im Erdgeschoss.
Der Auftragsbau für die Kommune ist ein Projekt der adaptiven Wiederverwendung. Die bestehende Betonstruktur der alten Bibliothek aus den 1980er Jahren wurde umgestaltet, in der Größe auf jetzt vier Stockwerke mit 4.700 Quadratmetern verdoppelt und um Räume für gemeinschaftliche Nutzungen ergänzt. Platz haben nun Kleinkindergruppen und der Jugendclub, Ausstellungsflächen, kleine Aufführungen und Veranstaltungen. Das Innere böte auch die Art von unerwarteten Räumen, die sich aus der Arbeit mit älteren Strukturen ergeben, sagt Tiina Rytkonen, Innenarchitektin bei JKMM: „Es gibt gemütliche Räume und auch Verstecke, die sich perfekt für Kindergeschichten eignen“.
Die Lesesäle orientieren sich an der modernistischen Tradition finnischer Bibliotheken. So prägen die Hauptlesehalle rhythmische Sichtbetonpfosten und -balken, die das Licht filtern und Muster erzeugen. Inspiration für die Ausstattung lieferte die umgebende Küstenlandschaft: gedämpfte Farben und Materialien wie Wolle und Filz; vom finnischen Künstler Petri Vainio stammt das Werk an der Decke der Haupteingangshalle, das ein Schilfbett darstellt. Im Kontrast zu den Betonoberflächen setzten JKMM für Handläufe, Lampen und Eingänge Messing ein.
Außen dominiert Kupfer, genauer Kupferschindeln, mit denen die Bibliothek verkleidet ist. Davor haben JKMM eine 50 Meter lange Terrasse angelegt. Sie soll die Verbindung zur benachbarten, mittelalterlichen Steinkirche betonen, die zusammen mit dem nahe gelegenen Marktplatz das Zentrum von Kirkkonummi bildet, der wachsenden 40.000 Einwohner*innen-Stadt, die an die Metropolregion Helsinki grenzt. Laut Pressetext soll die neue Stadtbibliothek mit ihren Gemeinschaftsflächen und nichtkommerziellen Funktionen zum Wohlbefinden in diesem Wachstumsprozess beitragen – ohne dabei ihre Qualität als besonderer Ort zum Lesen, Forschen und Lernen für alle Altersgruppen zu verlieren. (kat)
Fotos: Marc Goodwin, Pauliina Salonen, Tuomas Uusheimo
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Julia Carstens | 28.05.2021 09:28 UhrIm wahrsten Sinne menschlich!
Einfach wunderschön. Danke.