Pünktlich zum Start des Wintersemesters 2019 hat die von Snøhetta entworfene Charles Library ihre Türen geöffnet. Das Gebäude steht mittig in dem sich über mehrere Blocks erstreckenden Campus der Temple University in Philadelphia. An den Knotenpunkten der Fußwegverbindungen des Campus gelegen, soll die Bibliothek für die 39.000 Studierenden nicht nur soziales Zentrum und Treffpunkt sein, sie ist das Herzstück des Campus und nimmt einen ganzen Block ein.
Um die den Campus kreuzenden Verbindungswege nicht zu unterbrechen, ist das Erdgeschoss als öffentlicher Raum mit Café, Lobby und Veranstaltungshalle entworfen. Mittels bogenförmigen holzverkleideten Einschnitten, die sich durch das warme Material vom Steinkörper der Fassade abheben, öffnet sich das Gebäude. Die Bogenelemente setzen sich im Innenraum fort und bilden ein Atrium, das sich über drei Etagen zieht und Tageslicht ins Innere bringt. Kreisrunde Durchbrüche ermöglichen Blickbeziehungen in alle Gebäudeteile und sollen die Orientierung vereinfachen. Auf 20.500 Quadratmetern bietet die Bibliothek im Vergleich zu ihrem Vorgängerbau aus den 1960er Jahren mehr als doppelt so viele Arbeitsplätze.
Die Bibliothek ist eine der größten Investitionen der Universität und Philadelphias einzige öffentliche Bibliothek. Sie ist für fünf Millionen Besucher jährlich ausgelegt und steht auch externen Nutzern offen. Über vierzig Besprechungs- und Arbeitsräume sind über das Gebäude verteilt und können angemietet werden. Das Gebäude ist für eine zeitgemäße mobile Arbeitsweise ausgelegt. Für die Bewohner Philadelphias stehen Computerarbeitsplätze zur Verfügung. Auf allen Ebenen gibt es Laptops und Ladestationen, um dem Arbeitsalltag der Studierenden Rechnung zu tragen. Ein automated storage and retrieval system (ASRS), kurz Bookbot, erlaubt es, den ganzen Buchbestand im Gebäude zu lagern und auch ehemals ausgelagerte Bestände an den Stammsitz zurück zu führen. Das Depot zieht sich mit 23 Metern Höhe über drei Geschosse und bietet Platz für knapp zwei Millionen Bücher. Der drastisch reduzierte Platzbedarf des Depots schafft Raum für akademische Ressourcen, individuelle Studienplätze und Gruppenräume.
Im 4. Obergeschoss ist die frei zugängliche Sammlung untergebracht. Die beiden Lesesäle an den gegenüberliegenden Enden sind Studierenden vorbehalten. Durch die Vollverglasung fällt der Blick auf das umlaufende, mit 15 Sorten üppig bepflanzte Dach. Es soll Bienen und Insekten anziehen und sammelt das Regenwasser. Um das in die Jahre gekommene Abwassersystem der Stadt zu entlasten, sind auf dem Gelände gepflasterte Wege und Beete angelegt, die Oberflächenwasser in unterirdische Reservoirs ableiten.
Snøhetta haben noch andere Bibliotheken entworfen, darunter die Zentralbibliothek von Calgary und die Stadtteilbibliothek Ein Blick lohnt auch nach Helsinki, wo mit der Zentrabibliothek von ALA Architects kürzlich ein ähnlich interessantes Bibliotheksgebäude fertig gestellt wurde. (tl)
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