Vor rund zehn Jahren beschloss die chinesische Zentralregierung die Erweiterung Pekings Richtung Südosten. Auf einer Fläche von circa 220.000 Quadratkilometern soll die Hauptstadt als Zentrum von Kultur und Forschung mit der 130 Kilometer entfernt am Gelben Meer gelegenen Hafen- und Handelsstadt Tianjin zu einer gigantischen Region mit 112 Millionen Einwohnern um die geplante Metropolstadt Jing-Jin-Ji verschmelzen.
Im Zuge der Urbanisierung entstand 2017 der Masterplan für ein 600 Hektar großes Areal mit Wohn-, Verwaltungs- und Kulturbauten in parkartiger Umgebung am Tonghui-Fluss im östlichen Pekinger Stadtbezirk Tongzhou, der zum neuen Subzentrum entwickelt wird. Einen internationalen Wettbewerb für die hier auf einem Grundstück zwischen Hügeln und Bäumen geplante Beijing City Library gewann 2018 Snøhetta. Zusammen mit dem lokalen Partnerbüro ECADI konnten die Architekt*innen damit bis 2023 – nach Bibliotheksgebäuden in Alexandria, Calgary oder Philadelphia – wieder einen Bau dieser Typologie realisieren. Weitere sind derzeit in New York und Charlotte im Bau.
Der Bibliotheksneubau soll ein öffentlicher Ort zum Lernen und Austauschen im neuen Stadtviertel sein und sich darüber hinaus als Bildungs- und Kulturstandort im erweiterten Pekinger Stadtgefüge etablieren. Mit einer Bruttogrundfläche von 75.000 Quadratmetern ist er als Landschaft konzipiert und beherbergt auf den ansteigenden Stufen und Ebenen einen der größten Lesesäle weltweit. In den unteren Geschossen gibt es zudem viel Raum für Ausstellungen, Aufführungen und Konferenzen sowie den Bücherdepots zugeordnete Restaurierungswerkstätten.
Eingänge befinden sich im Norden und Süden des 22 Meter hohen, rundum verglasten Gebäudes. Im Inneren windet sich das sogenannte „Valley“, ein mäandernder Pfad, als Haupterschließung durch den gesamten Bau. Das weitläufige Forum bildet den Mittelpunkt der Bibliothek. Von hier aus erheben sich in weich geschwungenen Kurven abgestufte Terrassen, die Bücherregale und Leseplätze integrieren. Das große Dach wird von schlanken Säulen getragen, die nach oben Platten in Form von Gingkoblättern ausbilden. Die Zwischenräume der sich überlappenden Dachelemente sind verglast und wirken im lichtdurchfluteten Innenraum wie ein Baldachin. (uav)
Fotos: Zhu Yumeng
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Fünfzehn Bibliotheken in aller Welt versammelt unser Themenpaket „Lesen, leihen, lernen“.
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ac.arch | 14.03.2024 15:28 UhrInsignien - Otl Aicher
Otl Aicher hat es einmal sehr treffend beschrieben:
"jemand, der ein land beherrscht, ist fast mit sicherheit nicht besser als der beherrschte. seine herrschaft läßt sich nur festigen durch macht, noch besser durch insignien.
seine herrschaft ist gestützt auf schöne titel, reiche kleider, große häuser, mehr dienstpersonal und höhere sitze. neben der religion, die man vorteilhaft zur verbrämung der macht in dienst stellt, ist nichts so geeignet, vorrangstellung auch dort zu demonstrieren, wo sie fehlt oder gar bezweifelt werden muß, wie die ästhetik, das schöne. das große als mittel der potenzdemonstration ist zu vordergründig, um herrschaft zu begründen. gewiß, schon größe ist eine insignie. das schloß muß größer sein als ein haus, seine zimmer müssen höher
sein als die für normale menschen. das auto eines präsidenten muß länger sein als das anderer leute, auch wenn seine beine nicht länger sind als die seines chauffeurs. der direktor hat anspruch auf einen größeren tisch und breiteren stuhl, selbst wenn er nicht mangels körperlicher bewegung in die breite gegangen ist.
aber wie gesagt, das ist zu vordergründig und dadurch gefährlich. man läuft gefahr, daß es durchsichtig wird wie des kaisers neue kleider. könige mit zu großen perücken laufen gefahr, ihre position ins lächerliche zu ziehen und schlußendlich geköpft zu werden. schlösser mit zu vielen zimmerfluchten, suiten und flügeln reizen dazu, angezündet zu werden, um in flammen aufzugehen.
es sei denn, sie seien besonders aufgeschönt worden. schönheit wird immer angebetet. in zeiten des niedergangs der religion ist schönheit sogar in der lage, ihre stelle der verehrung einzunehmen. sie wird transzendent."
Dem ist kaum etwas hinzuzufügen.