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18.04.2018
Regale aus Marmor
Bibliothek in Katar von OMA
OMAs erstes bekanntes Bibliotheksprojekt, ihr Entwurf für die Pariser Bibliothèque Nationale, landete in der Schublade. Trotzdem wird Rem Koolhaas seither nicht müde, sich an diesem Gebäudetypus abzuarbeiten: Der sei einfach außergewöhnlich gut dafür geeignet, „um eine radikale Architektur zu entwickeln”, so der Rotterdamer Architekt. Nach der Seattle Central Library und der Bibliothèque Alexis de Tocqueville in Caen stellt die Nationalbibliothek in Katar jedenfalls einen neuen Höhepunkt von OMA in diesem Bereich da. An diesem Montag weihte das Rotterdamer Büro auf der Wüstenhalbinsel einen 132 Meter langen und breiten Bau aus Aluminium und gewellten Glas ein, der viel mehr Spaceship als Büchertempel ist.
Wie eine quadratische Schachtel, die im Entwurfsprozess von den maßgeblichen Projektbeteiligten Rem Koolhaas, Ellen van Loon und Iyad Alsaka zusammen- und auseinandergefaltet wurde, wirkt das Gebäude. Am Rande von Katars Hauptstadt Doha gelegen, stehen die Ecken des Quadrats nun wie dreidimensionale Eselsohren vom Boden ab. In diese spitzeckig verformte Box integrierten OMA die Zentralbibliothek der Hauptstadt Doha, die Public Library des Landes, die Bibliothek der Universität und eine Rara-Sammlung alter Manuskripte der arabischen Kultur.
Eine Geschossfläche von 42.000 Quadratmetern bietet die neue Einrichtung mitten in der Education City, die eines der wichtigsten Bildungs- und Investitionsprojekte des Landes ist. Kaum überrascht es daher, dass der hinter dem städtebaulichen Großunternehmen stehende Staatsfonds Qatar Foundation auch beim OMA-Bau nicht gespart zu haben scheint: Es gibt ein in die Regale integriertes automatisches Buchsortiersystem, eine Art horizontaler Fahrstuhl auf Schienen, weißer Marmor an Boden und Wand, beiger Travertin für den Rara-Saal, und eine Decke, deren weiß lackierte Paneelverkleidung das Schimmernde der Fassade auf das Gebäudeinnere überträgt.
Die Form des Gebäudes kommt nicht von ungefähr: Die rund eine Million Bücher des noch auszubauenden Bibliotheksbestands sind freihand über eine schier endlose Regallandschaft aus weißem Marmor verfügbar, die sich zwischen den angehobenen Gebäudeecken auffächert. Eine trägerfreie Brücke verbindet auf der oberen Ebene verschiedene Flügel der Bibliothek. Als Knotenpunkt vieler Wege durch den Bau ist sie auch ein wichtiger Kommunikationsort der hier versammelten Institutionen. Auf ihr sind kleine Konferenz- und Studierräume angelegt, Ausstellungsflächen, Lesemöglichkeiten und ein Multifunktionssaal mit einziehbaren, vom Büro Inside/Outside gestalteten Wänden. Inside/Outside waren auch für die Landschaftsplanung verantwortlich.
Zur Gebäudemitte senken sich die aufgeständerten Bereiche ab und bilden ein zentrales, dreieckiges Foyer, das wiederum über eine schlanke Brücke direkt von der Peripherie des Volumens aus erreichbar ist. Auch die Rara-Sammlung befindet sich in diesem Zentrum, allerdings sechs Meter in die Tiefe gelegt. Wie auf eine archäologische Ausgrabungsstätte lässt sich vom Foyer und Brücke aus auf dessen Travertinwände schauen. Die Vergangenheit und Zukunft des Landes, das sich angesichts seiner schwindenden Ölreserven immer wieder neu erfinden muss, kommt so – symbolisch – in einem einzigen Gebäude zusammen. (sj)
Fotos: Iwan Baan, Delfino Sisto Legnani & Marco Cappelletti, Hans Werlemann
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