Christchurch, die größte Stadt auf Neuseelands Südinsel, steht auf instabilem Boden, schon mehrmals bebte hier die Erde. Ein Erdstoß am 22. Februar 2011 forderte viele Opfer, zerstörte zahlreiche Bauten, darunter die historische Kathedrale und brachte das öffentliche Leben zum Erliegen. Doch längst ist der Wiederaufbau der Metropole in vollem Gange – besser, umweltverträglicher, erdbebensicherer. Eines der ersten fertiggestellten öffentlichen Gebäude und neue Landmarke im Stadtzentrum ist die Zentralbibliothek Tūranga – entworfen von den Profis im Bibliotheksbau Schmidt Hammer Lassen (Kopenhagen/Aarhus/Shanghai), die 2013 gemeinsam mit dem lokalen Büro Architectus (Melbourne/Sidney/Christchurch) den internationalen Wettbewerb gewannen.
Schon früh im Designprozess holten die Architekten die Organisation Matapopore Charitable Trust mit ins Boot, die sich dafür einsetzt, dass Traditionen und Werte des in der Gegend um Christchurch heimischen Māori-Stammes Ngāi Tūāhuriri beim Wiederaufbau berücksichtigt werden. Ihr Einfluss auf den Entwurf reichte von den Baumaterialien über die innere Struktur bis hin zur geografischen Ausrichtung des Gebäudes mit Blicken in Richtung der umgebenden Berge. Auch der Name Tūranga stammt aus der Sprache der Māori und bedeutet so viel wie Standpunkt oder Ort.
Der 9.500 Quadratmeter fassende Baukörper mit fünf Geschossen besteht aus drei übereinandergestapelten länglichen Quadern. Die offen gehaltene Eingangszone im Sockelgeschoss versteht sich als Fortsetzung des davorliegenden Platzes in den Baukörper hinein. Das Atrium soll nicht allein der Erschließung, sondern auch als Treffpunkt dienen und die Besucher in der Tradition des „whakamanuhiri“ empfangen – unter anderem mithilfe zahlreicher Sitzgelegenheiten und einer skultpuralen Ausgestaltung mit Referenzen auf die heimische Flora und Fauna sowie die Kultur der Māori. Neben einem Café im Erdgeschoss stehen den Bürgern von Christchurch Räume für Veranstaltungen und Aktivitäten zur Verfügung. Die oberen drei Geschosse beherbergen die Bibliothek mit Lesesälen, Büros und Computerräumen.
Von außen gesehen besticht die Bibliothek mit ihren beiden Längsfassaden. Hier gibt ein stellenweise geöffneter, golden schimmernder Vorhang aus perforiertem Metall die großen Verglasungen der Lesesäle frei. Auch ihre vertikal gefaltete Form bezieht sich auf die umgebende Natur, nicht zuletzt auf die die Stadt umgebenden Bergketten.
Doch nicht nur auf eine Einbindung der Māori-Kultur wurde bei der Bibliothek Wert gelegt, sondern auch auf eine vom lokalen Ingenieurbüro Lewis Bradford Consulting Engineers gerechnete Konstruktion, die künftigen Erdbeben standhält. Alle Betonwände verfügen über integrierte vorgespannte und hochdehnbare Stahlkabel, die mit dem Fundament verbunden sind. Sie lässen den Bau im seismischen Ernstfall mitschwingen und nach einem Erdstoß wieder in die Ausgangsposition zurückkehren, sodass ein Einsturz verhindert wird. (da)
Fotos: Adam Mørk
Dieses Objekt & Umgebung auf BauNetz-Maps anzeigen:
...geben nicht die Meinung der Redaktion wieder, sondern ausschließlich die ihrer jeweiligen Verfasserinnen und Verfasser.
1
Davide | 22.10.2018 17:45 Uhrkindisch und maßstabslos
Eine ganze schön wuchtige Kiste mit einer albernen Geste. Warum einen Vorhang immitieren? Die Paneele haben weder in der Atmosphäre noch Funktion etwas mit einem Vorhang gemein. Aber schön, dass wir mittlerweile wieder bei gegenständlicher Architektur angekommen sind. Ducks welcome...
Irgendwie ist man von SHL besseres gewohnt.