Die schwäbische Gemeinde Legau ist Sitz des Naturkostproduzenten Rapunzel. Nach dreijähriger Bauzeit eröffnete im letzten Herbst das Besucherzentrum auf dem Firmengelände am östlichen Ortsrand. Rapunzels Welt will mit Ausstellungen und interaktiven Formaten Wissen zu ökologischem Landbau, Kreislaufwirtschaft und nachhaltiger Lebensweise vermitteln. Für dieses Nutzungskonzept entwarf das Stuttgarter Büro haascookzemmrich STUDIO2050 einen skulpturalen Bau mit begehbarem Dach. Er nimmt das Märchenthema Rapunzel auf und wurde mit nachwachsenden sowie wiederverwertbaren Baustoffen in besonders energieeffizienter Bauweise realisiert.
Charakteristisches Element des dreiflügeligen Gebäudes mit einer Bruttogrundfläche von 7.560 Quadratmetern ist eine tief heruntergezogene, mit Ziegeln gedeckte Holzdachkonstruktion, die den gesamten Baukörper wie ein breites Band umläuft und sich an der nördlichen Ecke zu einem adressbildenden, 21 Meter messenden Hochpunkt aufschwingt. Außer im Bereich dieses „Rapunzelturms“, wo das Dach bis zum Boden reicht, bringt eine ebenfalls als Band angelegte Glasfassade maximale Transparenz in das Erdgeschoss. In den oberen Geschossen sorgen Gaubenfenster für Belichtung.
Ein vom Landschaftsarchitekturbüro Ramboll Studio Dreiseitl (Überlingen) als „Märchengarten“ geplanter Freiraum umgibt den Bau und erstreckt sich bis auf das Dach, das sowohl über eine Innen- als auch eine Außentreppe erreicht wird. An der Spitze des Turms ermöglicht die Aussichtsplattform „Krähennest“ weite Blicke ins Land.
Wer nach Rapunzels Zopf sucht, muss sich in das Innere des Gebäudes begeben. Hier übernimmt eine komplett aus Holz gefertigte, rund 14,5 Meter hohe Wendeltreppe die Haupterschließung. Der symbolische Zopf windet sie sich durch die Gebäudemitte und verbindet alle Ebenen vom Weinkeller im Untergeschoss bis zur Dachterrasse. Hinzu kommen drei weitere Treppenkerne in den einzelnen Flügeln. Verglaste Innenwände und Galerien lassen großzügige Einblicke in die im Erdgeschoss liegende Kaffeerösterei und Bäckerei zu. Das erste Obergeschoss beherbergt Ausstellungsflächen, im zweiten gibt es Räume für Kochkurse, Seminare und Yoga.
Wie die Architekt*innen angeben, wurde mit regional verfügbaren Materialien und lokalen Handwerksbetrieben gebaut. Lediglich für die Rapunzeltreppe und die Dachziegel habe man weiter entfernt sitzende Firmen beauftragt, darunter eine Ziegelbrennerei in der Schweiz, mit deren alten Brennöfen die besonders feine Engobierung möglich war. Die Belüftung erfolgt – mit Ausnahme des Röstereibereichs – natürlich, die Haustechnik wurde auf ein Minimum reduziert. Zudem ist das Besucherzentrum an das Nahwärmenetz und die solare Stromgewinnung des Unternehmens angeschlossen. (da)
Fotos: Roland Halbe, Markus Guhl
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Der Saupreiß | 15.02.2023 17:29 UhrAlles Beton
Da helfen auch der übergroße Tisch aus einem einzigen Baumstamm und die vielen Holzschindeln nicht: Es bleibt ein großes Neubauvolumen mit viel Beton, Glas und natürlich auch einer ganzen Menge Stahl, mit dem die kühnen Kurven an den Fassaden überhaupt erst möglich werden. Der genaue Aufbau der "komplett aus Holz" gefertigten Treppe würde mich in diesem Kontext interessieren. Alles in allem sehr konventionell, die Baubeschreibung des Artikels gibt vollkommen unkritisch die Verkaufssprache der Planenden wieder.
Der Versuch der CO2-Kompensantion, der durch die Beauftragung "lokaler Handwerksbetriebe" beschrieben wird, darf als lächerlich bezeichnet werden. Da schwingt dann eher piefige Heimattümelei mit, die vielleicht im Ländle gut ankommt.
Man ist versucht, dem Projekt viel zu verzeihen, da es von einer Bio-Marke ins Leben gerufen wurde. Wofür es überhaupt ein solches Besuchendenzentrum braucht, bleibt mir aber schleierhaft. Der Verzicht wäre dann wohl die nachhaltigere Entscheidung gewesen ...
P.s.: Über die Gestaltung fange ich gar nicht erst an zu schreiben.