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29.05.2013

Oase im Dreieck im Block

Berliner Grand Hotel Esplanade wird 25


Es war ein kleiner Skandal: Mit dem Grand Hotel Esplanade entwarf Jürgen Sawade vor 25 Jahren ein Gebäude, das wesentlich gegen die damalige Berliner Ideologie der „kritischen Rekonstruktion“ verstieß. Anstatt sich zum Lützowplatz hin zu orientieren, einst immerhin ein wichtiger Platz im städtischen Gefüge, zeigte sich das Hotel mit der gelungenen Innenarchitektur von Johanne und Gernot Nalbach der Stadt gegenüber eher abweisend. Ganz anders als sein historischer Vorläufer, so warf man ihm vor, dem mondänen Hotel Esplanade am Potsdamer Platz, dessen Kaisersaal dort noch immer als architektonischer Untoter sein Dasein fristet.

Tatsächlich überrascht es noch heute, wie monumental und verschlossen das Hotel wirkt. Die Oberflächen sind glatt und undurchlässig, und die Blicke gleiten förmlich ab. Nichts dringt von innen nach außen, und wer es nicht kennt, der würde kaum vermuten, dass es sich überhaupt um ein Hotel handelt. Zum Kanal hin verscheucht der fast komplett fensterlose Granitsockel zusammen mit der extrem stark befahrenen Uferstraße sofort jeden Gedanken an ein flanierendes städtisches Publikum. Keine Frage, der Zugang zum Hotel ist vor allem per Auto gedacht, mit dem man, durch schmale Tore hindurch, direkt auf den geschützten Vorplatz gelangt. Das entspricht aber auch der Lage des Hotels, die gerade in der Entstehungszeit wie eine Insel im Niemandsland gewirkt haben muss. Ein Spagat, dem sich auch die Erbauer wohl bewusst waren, wenn es in der Erläuterung fast wie ein Wiederspruch klingt, dass hier „einerseits Stadt wieder hergestellt und andererseits ein unverwechselbarer großstädtischer Ort geschaffen wird.“

Gleichzeitig ist Sawades Entwurfs-Begründung gerade im Kontext der IBA äußerst raffiniert. Für ihn ist das dreieckige, in sich zurück gezogene Hotel keine vollkommen neue Typologie, sondern ein typischer Berliner Block, der eben lediglich, um auf das Grundstück zu passen, halbiert werden muss. Die Bebauung stehe so im „Context zu den rudimentären Zeugen einer ehemaligen Jahrhundert-Metropole und damit auch im Context zur Platzbebauung des Lützowplatzes“, heißt es in der damaligen Presseerklärung lapidar.

Dass dieses Abwenden von der Stadt aber eben nicht darauf abzielt, einfach nur eine suburbane Typologie in die Innenstadt zu verpflanzen, das wird in der weiteren Begründung deutlich. Einen „großstädtischen und modernen Ort“ wollten die Erbauer schaffen, der das  historische Vorbild in die Gegenwart übersetzt und einen neuen Mittelpunkt für die Stadtgesellschaft schafft, zu der nun eben auch das Auto als bevorzugtes Fortbewegungsmittel wesentlich dazugehört. Womit Sawade allerdings auch ganz nebenbei die IBA-Sehnsucht nach der historischen Stadt dekonstruierte, machte das Hotel doch deutlich, dass gegenwärtige Bedürfnisse auch nach neuen Typologien verlangten.

Überfährt man die Schwelle, wird die Dialektik des Hotels zwischen äußerer Monumentalität und innerer Offenheit ganz unmittelbar erfahrbar, wenn sich der Granitblock auf der Innenseite in einen künstlichen Wasserfall verwandelt. Vergleichsweise ruhig ist dieser Vorplatz, trotz des Straßenlärms draußen, und groß genug, um im Sommer auch als Café-Terrasse genutzt zu werden. Auch das Foyer hat mit seiner horizontalen Größe und Klarheit etwas Städtisches, will es doch nicht einfach nur beindrucken wie so viele Atriums-Architekturen von Dubai bis Shanghai, sondern ist als „Platz für temporäre Inszenierungen und Aktivitäten des Hotels“ gedacht. Handlung statt Repräsentation, was durch die luxuriöse Zurückhaltung der Foyergestaltung von Nalbach & Nalbach noch verstärkt wurde.

Zur Idee des Hotels als urbane Oase gehörte auch ein Konzept-Schwerpunkt auf zeitgenössische Kunst, initiiert durch den Hauptgesellschafter Dieter Hauert, der als einer Gründer der „Freunde der Nationalgalerie“ ohnehin über gute Kontakte zur lokalen Szene verfügte. Für Ankäufe und Auftragsarbeiten wurden von Anfang an ein Teil des Budgets vorgesehen, und so entstanden in enger Bezugnahme auf die Architektur mehrere ortsspezifische Arbeiten des Mitbegründers der Künstlergruppe ZERO, Heinz Mack. Dazu kamen Bilder und Skulpturen von bekannten Künstlern wir Otto Piene und Günther Uecker sowie Arbeiten der „Neuen Wilden“  um Markus Lüpertz, Karl-Horst Hödicke und Bernd Koberling. Ergänzend wurde außerdem noch eine umfangreiche Kunstbibliothek mit fast 2.000 Bänden eingerichtet. Das Hotel als Gesamtkunstwerk also, entstanden aus den Ambitionen aller Beteiligten, hier einen wirklich außergewöhnlichen Ort zu schaffen. So erscheint es doch als Verlust, dass seit einem Umbau 2007 nun im Foyer „Panoramafotografien berühmter Berliner Wahrzeichen“ zu sehen sind und auf den Zimmern „Spiegelkunst“. Man sollte meinen, dass wer im Esplanade absteigt, weiß, in welcher Stadt er sich gerade befindet.

Trotz dieser Einschränkung gilt noch immer, dass das Esplanade als eines der wenigen konzeptionell gedachten Hotels der Stadt gelten kann, weil es sich nicht einfach nur mittels historisierender Architektur auf eine längst vergangene Zeit bezieht, sondern sich die Erbauer ganz explizit an einer zeitgenössischen Lösung versuchten. Umso erfrischender, dass sie sich der möglichen negativen Konsequenzen ihres kompromisslosen Ansatzes von Anfang an bewusst waren: „Natürlich weiß ich, dass das nicht jedem gleich vertraut und zugänglich ist und sein kann. Aber die Architektur hat auch den Aspekt des Bewirkens und Erziehens“, so Dieter Hauert. Wobei das Hotel ohnehin von Anfang an ein großer Erfolg war. Nicht nur bei richtigen Stars wie Nelson Mandela, Paul McCartney oder Michael Jackson. Sondern auch beim Konzept-Star-Architekten Rem Koolhaas, der dort immer wieder gesichtet wurde.

Stephan Becker


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