Ein Kommentar von Alexander Stumm
Nach sechs Jahren Ausstellungen und zuletzt einem Jahr erfolglosem Ringen um eine Genehmigung hat der Kunstsammler Axel Haubrok am vergangenen Freitag die letzte Veranstaltung auf dem Gelände der ehemaligen Fahrbereitschaft in der Herzbergstraße 40–43 in Berlin-Lichtenberg organisiert. Der Bezirk duldete eine Buchpräsentation und „Probe-Aufstellung“ einiger künstlerischer Arbeiten seiner Sammlung. Berlin könnte damit nach den Sammlungen von Erika Hoffmann, Egidio Marzona und Annette/Rudolf Kicken einen weiteren großen Kunstschatz verlieren. Ärgerlich ist dabei vor allem, wie ungelenk die politischen Entscheidungsträger agieren.
Kurzfristig per E-Mail erhielt der Kunstsammler Axel Haubrok vor genau einem Jahr die Benachrichtigung, dass die geplante Ausstellung zum Gallery Weekend nicht genehmigt wird. Bei Missachtung drohte das zuständige Bezirksamt Berlin-Lichtenberg mit einer Geldbuße von bis zu 500.000 Euro. Das Gelände sei ausschließlich für Gewerbe ausgelegt, eine Kunstausstellung bedeute eine Nutzungsänderung und Ordnungswidrigkeit, so der Bescheid. Diese E-Mail setzte den Schlusspunkt einer Reihe positiver Signale seitens der Politik, die Haubrok Unterstützung für die Entwicklung des Areals zusicherte. Kurz davor hatte Brandlhuber+ Emde, Burlon & Muck Petzet im Auftrag Haubroks an der südlichen Grenze einen zweistöckigen Querriegel fertiggestellt, der zusätzliche Räume für Kunst und Künstlerateliers bieten sollte.
Geheime Operationszentrale der DDR-Staatssicherheit
Zu DDR-Zeiten unterlag das Gelände höchster Geheimhaltung. Offiziell beherbergte es den Fuhrpark des Ministerrates. Darüber hinaus diente es als Operationszentrale einer geheimdienstlichen Struktur, die Kontakt zu im Ausland Agierenden unterhielt. Die Stasi nutzte das unweit ihrer Zentrale gelegene Gelände für Verhöre, hohe Parteifunktionäre feierten hier ausgelassene Partys. Die Einrichtung ist in Teilen original im Stil der Siebziger Jahre erhalten, so das Casino mit Bar und eine bis heute funktionierende Kegelbahn. Zudem gab es einen Wellnessbereich mit Sauna. Nach der Wende gelangte das Areal in städtischen Besitz, nach und nach siedelten sich einzelne Gewerbe an.
Belebung des Areals mit Kunst und Gewerbe
Im Jahr 2013 erwarb der Kunstsammler Axel Haubrok das Areal. Er funktionierte verschiedene Räume zu Wechselausstellungen um und machte das Gelände für die Öffentlichkeit zugänglich. Zudem förderte er die Ansiedlung von weiteren kleinen Betrieben. Heute finden sich hier unter anderem eine Autolackiererei, Reifenhändler, Schreiner, Boots- und Rahmenbauer, aber auch Künstlerateliers, die zusammen 90 Prozent der Nutzfläche einnehmen. Umgeben von Schrottplätzen entstand eine lebendige Oase.
Die Schließung des Geländes für die Präsentation der Sammlung Haubrok zu verantworten hat die Bezirksstadträtin Birgit Monteiro (SPD). Sie gründet sich darauf, dass Kunstausstellungen auf dem Grundstück bauplanungsrechtlich nicht zulässig und damit auch nicht genehmigungsfähig seien. Denn genehmigt waren die Ausstellungen über die sechs Jahre nie, lediglich geduldet. Verteidigt wird die Entscheidung mit einem Anstieg der Bodenpreise und der potentiellen Verdrängung kleinerer produzierender Gewerbe. Das Argument der Gentrifizierung ist sicherlich nicht gänzlich von der Hand zu weisen. Vorgeschoben wirkt es aber dann, wenn problematisiert wird, dass der Verkehr in der Herzbergstraße durch das Kunstpublikum behindert werde. Doch bei zwei Ausstellungen im Jahr mit Eröffnung und samstags eine Führung mit selten mehr als 40 Personen kann von Besuchermengen nicht die Rede sein. An der Qualität der Ausstellungen lag es dabei nicht, diese gehörten zu den herausragenden in der Stadt. Die Sammlung Haubrok besitzt einen Fokus auf Konzeptkunst der Siebziger Jahre. Ruhige, anspruchsvolle Arbeiten, teilweise an der Grenze zur Auflösung. Haubrok war nicht einer jener sensations- und aufmerksamkeitssüchtigen Großsammler. Und so blieb die Fahrbereitschaft über all die Jahre auf merkwürdige Weise unter dem Radar der hippen Kreativszene.
Zukunft der Sammlung Haubrok offen
Doch Bezirksstadträtin Monteiro will in ihrem Machtbereich die Fahne für die kleinen Gewerbetreibenden hochhalten. Traurig ist, dass es mit Haubrok genau den Falschen trifft. Denn er ist kein Großinvestor, der hier nach Gutdünken sein Kulturreich erschaffen wollte, sondern ein Akteur, der mit der nötigen Sensibilität die Durchmischung von produzierendem und künstlerischem Gewerbe fördert. Die Mieten blieben bei moderaten 6 bis 7,50 Euro kalt. Die Fahrbereitschaft galt sogar bei Vertretern des Senats als Blaupause für eine positive Zukunft Berlins. Doch auf politischer Entscheidungsebene im Bezirk Lichtenberg fehlt es offensichtlich an jeglichem Feingefühl dafür, wie sich städtischer Raum nachhaltig entwickeln lässt. Vom Bezirksbürgermeister von Lichtenberg, Michael Grunst, bis zum Berliner Kultursenator Klaus Lederer wurde die Entscheidung Monteiros kritisiert. Doch bewegt hat sich seither nichts.
Bei der Buchpräsentation am vergangenen Freitag wirkte Axel Haubrok im Gespräch mit Kolja Reichert von der FAS ein Stück weit resigniert, aber nicht nachtragend. Nach einem Jahr vergeblicher Diskussionen denken seine Frau und er inzwischen darüber nach, die Sammlung raus aus Berlin zu verlegen. Geplant ist zudem eine große Schau im Neuen Museum in Nürnberg im Oktober.
Die Stadt Berlin befindet sich derweil am Scheideweg. Mit den explodierenden Mietpreisen ist der Zustrom von Künstlern, Kreativen und Glücksrittern längst abgeebbt. Berlin muss sich wieder einmal neu erfinden, wenn es in 20 Jahren eine kulturell vielschichte und relevante Großstadt bleiben will. Die Politik hat hier nicht nur keinen Plan vorzuweisen, wie das gelingen könnte, sie unterbindet sogar gangbare Wege und vergrault engagierte Akteure.
Auf Karte zeigen:
Google Maps
...geben nicht die Meinung der Redaktion wieder, sondern ausschließlich die ihrer jeweiligen Verfasserinnen und Verfasser.
2
Sammler | 30.04.2019 09:47 UhrZu Cheers v. 29.4.
Schön, wenn man Vorurteile pflegen kann!
Frage: wovon leben unbekannte Künstler eigentlich? Vom Verkauf an staatliche Museen?