Umstritten ist die jüngste Ausweitung des Tagebaus Garzweiler um die Ortschaft Lützerath vor allem aus ökologischen Gründen. Tragisch aber mutet auch die Zerstörung der Dörfer an. Üblicherweise werden die Bewohner*innen in benachbarte Ortschaften oder gesichtslose Neubaugebiete umgesiedelt. Nicht zuletzt durch die Errichtung von Sakralbauten versucht man, diesen Ersatzwohnstätten zu neuen Zentren verhelfen. Mag dieses Unterfangen angesichts der Rekordzahlen, die derzeit bei Kirchenaustritten verzeichnet werden, fragwürdig erscheinen, lassen es zumindest die Architekt*innen des Begegnungszentrums St. Petrus in Erkelenz an Ambition nicht fehlen.
Der Neubau von dbap Architekten (Viersen) befindet sich in einem dieser nichtssagenden Umsiedlungsorte, der im Norden der Stadt Erkelenz errichtet wurde, und dient Gläubigen aus den geräumten Gemeinden Keyenberg, Kuckum, Westrich und Berverath. Im Auftrag der Katholischen Pfarrei Christkönig (Erkelenz), die als Bauherrin durch das Bistum Aachen unterstützt wurde, sind neben der Kapelle samt Sakristei auch Gruppenräume und ein Gemeindesaal entstanden. Weist der in rotem Backstein gekleidete Komplex auch formale Ähnlichkeiten zum Dominikuszentrum von Meck Architekten in München auf, nimmt er sich gleichwohl weniger streng aus. Im Gegensatz zu dem Projekt in der bayerischen Hauptstadt ist die Anlage in Erkelenz durch die wechselnden Traufhöhen – bis hin zum Kirchturm – deutlich stärker gegliedert.
Zudem wechselt sich das Mauerwerk des Begegnungszentrums, das dem heiligen Petrus geweiht ist, mit Partien aus Cortenstahl ab. Die Metallplatten bekleiden nicht nur zwei Seiten des Kirchturms und die Taufkonche, die sich in den Hof wölbt. Sie nehmen auch die ausgesparte Gebäudeecke in der südwestlichen Fassade ein. In diesem Bereich oblag die Gestaltung der rostroten Hülle dem Künstler Jürgen Drewer, der zudem die bunten Glasfenster und den goldenen Tabernakel verantwortet. Ebenso ein Werk Drewers ist der Felsbrocken im Eingangsbereich, der symbolisch für das Kirchenoberhaupt Petrus steht.
Allgegenwärtig sind die Hinweise auf die vermeintlich verlorenen Ortschaften. Im Turm schlagen drei Glocken, die zuvor in Keyenberg zu hören waren, während Ausnehmungen an Altar und Ambo den Verlusten bildlichen Ausdruck verleihen sollen. Beraten durch den Theologen Gregor Maria Hoff ist ferner ein unterirdischer Ort der Erinnerungen entstanden: Aufgespannt zwischen Kirchturm und Kapelle birgt er nebst Reliquien und liturgischem Gerät auch Bilder der wenige Kilometer östlich gelegenen Gemeinden.
Deren Schicksal scheint indessen eine überraschende Wende genommen zu haben. Der im Herbst vergangenen Jahres zwischen dem Energiekonzern RWE und den zuständigen Wirtschaftsministerien geschlossene Kompromiss sieht neben dem Braunkohleausstieg bis 2030 auch den Erhalt von Keyenberg, Kuckum, Westrich und Berverath vor. (ree)
Fotos: Thomas Dewey Grafik
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arcseyler | 31.05.2023 09:37 Uhr.....
Wieder so ein Puzzlestein nach oben. Der Raum zwischen Schiff und Turm macht es. Die Vergeistigung und Übergang zum Ganzen, dem All.
it s the space stupid