Die 1966 eingeweihte Kirche St. Thomas Morus in München ist schon lange sanierungsbedürftig. Ein Wettbewerb vor 13 Jahren sah Abriss und Neubau aller Nebengebäude vor. Doch dann revidierte die Bauherrschaft diese Entscheidung und die Planung wurde neu aufgerollt. Nun bauen Westner Schührer Zöhrer das Ensemble klug um und integrieren profane Nutzungen geschickt in den Sakralraum.
Von Gregor Harbusch
St. Thomas Morus im Münchner Stadtbezirk Sendling-Westpark ist ein zurückhaltend spätmoderner Sechzigerjahrebau, bei dem Architekt Karl Jantsch auf zeittypische Art Ziegel und Sichtbeton kombinierte. Das Ensemble bestand ursprünglich aus dem eigentlichen Kirchengebäude, einem südöstlich davon abgesetzten Turm sowie mehreren Nebenbauten, die westlich der Kirche aufgereiht waren.
Ende 2012 wurde ein geladener Wettbewerb entschieden, der die Neuordnung der Nebenbauten vorsah, dabei aber die eigentliche Kirche nicht in die Planung integrierte. Dementsprechend setzten die meisten Teilnehmer*innen auf Neubauriegel, die sie in der einen oder anderen Form anstelle der Bestandsbauten westlich der Kirche platzieren wollten.
Interventionen statt Neubauriegel
Die Genehmigungsplanung lag bereits vor, als bei der Erzdiözese München und Freising ein Umdenken einsetzte. Es mündete in einen Studienauftrag an Westner Schührer Zöhrer Architekten und Stadtplaner (München). Sie konzipierten das Projekt komplett anders, indem sie Nebenbauten, Kirche und die veränderten Bedarfe heutigen Gemeindelebens zusammendachten. Denn da die Zahl der aktiven Kirchenbesucher*innen stark zurückgeht, liegt eine Verkleinerung des eigentlichen Sakralraums zugunsten neuer, profaner Nutzungen auf der Hand.
Ganz ohne Abriss ging es jedoch nicht. Denn bei den Bestandsbauten wäre der geforderte Brandschutz nur unter nicht vertretbaren Kosten realisierbar gewesen, erklärt Partner Christian Zöhrer. Der Abbruch war dementsprechend bereits beschlossen. Sowohl der ehemalige Kindergarten (samt Pfarrsaal im Souterain) im Nordwesten des Grundstücks als auch der sogenannte Zwischenbau, der direkt an die Kirche anschloss und diverse Nutzungen aufnahm, wurden rückgebaut. Der Kindergarten soll ein Wohnungsbau ersetzt werden. Anstelle des Zwischenbaus realisierten die Architekt*innen einen neuen Kindergarten, der aber nicht mehr direkt an die Kirche anschließt, sodass eine Durchwegung des Grundstücks möglich ist. Nur das südlichste Nebengebäude blieb erhalten und dient mit seinen Gruppenräumen zukünftig als Pfarrheim.
Pfarrsaal auf der Empore
Doch wo soll zukünftig der Pfarrsaal liegen? Die überraschende Antwort der Architekt*innen: auf der Empore in der Kirche. Die alte Empore musste dafür freilich einer neu organisierten und größeren weichen, deren auffälligstes Element eine beeindruckende, raumhohe Glaswand ist, die im Spätherbst letzten Jahres montiert wurde. Durch diese Glaswand werden die hinteren zwei Drittel der Emporenfläche vom Kirchenraum abgetrennt. Hier findet zukünftig der Pfarrsaal mit zwei Nebenräumen Platz.
Erschlossen werden der neue Bereich auf der Empore durch eine frei im Raum stehende Treppe aus geschliffenem Sichtbeton. Sie gibt dem Zugang nach oben ein prägnantes Gesicht und betont die damit einhergehende Öffnung des Sakralraums für neue Nutzungen. Für die Erzdiözese ist diese Nutzungsmischung ein Pilotprojekt, das hoffentlich Schule macht.
Bauen für die Kirche
Auf der Baustelle erklärt Partner Andy Schön, dass die Kirche als Bauherrin nicht EU-weit ausschreiben muss. Für die Kirche gilt das „geregelte Verhandlungsverfahren“ (GVV), das keine freie Bewerbung zulässt. Stattdessen stellen die Planungsbeteiligten eine Bieterliste auf, wodurch die Qualität der Leistungen gesichert wird. Beim Baustellenbesuch macht sich das positiv bemerkbar, denn offensichtlich ist die Stimmung zwischen den Beteiligten gut und die Arbeiten werden auf hohem handwerklichen Niveau ausgeführt.
Insbesondere die Betonbauer waren in den letzten Monaten gefordert. Neben dem geschliffenen Sichtbeton der Treppe galt es, eine charakteristische Deckenuntersicht der Empore mit einer Strukturschalung zu realisieren, die mit einer Kreisform den zukünftigen Ort des Taufbeckens markiert. Außerdem mussten bei der Emporenstütze neben dem Taufbecken gespitzte und gestockte Betonoberflächen umgesetzt werden.
Nicht nur der Pfarrsaal wird neu innerhalb des Bestands verortet. Die Sakristei wird zukünftig kompakt unterhalb der Empore zu finden sein. Und ein zurückhaltender Anbau vor der südöstlichen Ecke der Kirche wird Büroräume und einen neuen, barrierefreien Zugang bieten – nicht nur für Gottesdienstbesucher*innen, sondern gezielt auch für all jene, die in die neuen Räume auf der Empore wollen. Aktuell geht es Richtung Innenausbau. Im März 2026 soll der Eröffnungsgottesdienst gefeiert werden.
Fotos: Sebastian Schels, Westner Schührer Zöhrer Architekten
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