Vor 250 Jahren wurde Friedrich Hölderlin geboren. Und weil runde Geburtstage stets einer Würdigung wert sind, begehen die Stätten, an denen Hölderin Spuren hinterlassen hat, das Jubiläum in diesem Jahr entsprechend. So auch die kleine Stadt Lauffen am Neckar, wo Hölderlin am 20. März 1770 das Licht der Welt erblickte. Das Stuttgarter Büro VON M hat hier die Trias aus Sanierung des Geburtshauses, Anbau und Ausstellungsgestaltung übernommen. Zeit für einen Besuch auf schwierigem Terrain.
Von David Kasparek
Allein der Baugrund hat es in sich. Das Grundstück ist klein. Vorne rauscht der Verkehr – deutlich zu viele Autos für die kleine Straße –, hinten steigt der Hang steil an, der dem Neckar einst sein Flussbett diktierte. Das Haus, in dem der Lyriker zur Welt kam, ist für heutige Verhältnisse unspektakulär. Zweigeschossig, mit ausgebautem Satteldach, an den Querseiten mit Walm, dem angedeuteten Mittelrisalit zur Schauseite mit einer Gaube und entsprechendem Spitzgiebel folgend. Hölderlins Vater war der Verwalter des angrenzenden Dominikanerinnenklosters. Die Familie wohnte bis zu seinem Tod hier, ehe die Mutter ein zweites Mal heiratete und mit den Kindern nach Nürtingen übersiedelte. Hölderlin war da gerade erst vier Jahre alt.
VON M wurden im Oktober 2018 zunächst mit der Planung der Ausstellung betraut. Auch die Idee für Um- und Ausbau überzeugte die Verantwortlichen, so dass nach einigen lokalpolitischen Findungsprozessen neben der Ausstellung und der Sanierung des Altbaus (Bauaufnahme und LP 1-3 von strebewerk. Architekten, Stuttgart) auch ein Neubau hinzukam. Das alles bei relativ kleinem Budget und großem Zeitdruck.
Das Grundstück selbst ist für die Baustelleneinrichtung zu klein, die Straße ebenfalls, die zudem ob der Verkehrsmenge nicht gesperrt werden konnte. Ein Nachbargrundstück auf der anderen Straßenseite musste also herhalten und eine Garage westlich des Bestands abgerissen werden, damit man überhaupt Zugang auf das Grundstück hatte. Das Haus geht mit seinem Gewölbekeller bis auf das 13. Jahrhundert zurück, andere Bauteile stammen aus dem 16. Jahrhundert, die Grundstücksmauer aus dem 19. Jahrhundert. Bei den schwierigen Ausschachtungsarbeiten wurden Reste von Grubenhäusern aus dem Hochmittelalter und vorgeschichtliche Siedlungsreste gefunden. Außerdem stellte man fest, dass die alte, hangseitige Mauer über keinerlei Fundament verfügte und aufwendig abgefangen werden musste.
All das erzählt Büropartner Matthias Siegert, als wir das Ensemble durch den Hof betreten. Bereits zum 250. Geburtstag Hölderlins am 20. März wird die Ausstellung eröffnet. Der Neubau wird dann noch nicht abschließend fertig sein. Entsprechend eng geht es auch zeitlich auf der Baustelle zu. Rohbauer, Zimmermann und Restauratorinnen – alle wuseln an diesem Tag hier durcheinander. An ein Nacheinander der Gewerke ist des dichten Terminplans wegen nicht zu denken. Schon jetzt erkennbar aber sind die „bauarchäologischen Fenster“, in denen VON M die unterschiedlichen Zeitschichten dieses Hauses charmant zum Vorschein kommen lassen.
Ebenso deutlich stellt sich das neue Erschließungsbauwerk in der Flucht des Altbaus dar. Ein westlich daran anschließender, eingeschossiger Mehrzweckraum umfasst den neu entstehenden Hof, der straßenseitig um ein Technikgebäude ergänzt wird. Alle neuen Bauteile sind in Sichtbeton ausgeführt. Im Inneren zeigt dieser sich nach aktuellem Stand überraschend grobschlächtig. Umso sauberer ist er auf der Außenseite gearbeitet, wo die Stöße der Schalungsplatten gefast wurden. Nach dem Ausschalen entstand eine horizontale Bänderung, die die Bauteile schön gliedert. Beeindruckend ist auch jetzt schon der eigentliche Eingang in das neue Hölderlin-Haus: die ehemalige Scheune. Der Raum, scheinbar unbehandelt, de facto aber gut restauriert, erhält im Erdgeschoss fein gezeichnete, von den Architekten entworfene Möbel und wird als bis zum Dachstuhl durchgehender Luftraum von zwei unregelmäßig in die Grundrissfigur gelegten Stahlstegen gequert. Diese verbinden Altbau und Treppenbauwerk auf Höhe der beiden Obergeschosse und ermöglichen einen barrierefreien Zugang auf allen Ebenen.
Der geschulte Blick auf manche Details zeigt deutlich, dass Zeit und Geld knapp sind. Doch was davon wird tatsächlich störend bleiben, was vielleicht noch eindrücklicher, wenn die Einbauten erst fertig und die Ausstellung aufgebaut ist? Ein Besuch, um dies zu überprüfen, lohnt den Weg auf Hölderlins Spuren nach Lauffen künftig allemal.
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STPH | 11.03.2020 08:50 Uhr...
dieses archäologische dekonstruieren entspricht ganz gut Hölderlin. eigentlich reicht das so als Aussage. Eine Erinnerung.
ok ich steig auch um auf bolzen