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10.03.2023

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Aus Prototyp wird Serie

Baustellenbesuch bei FAR frohn&rojas in Berlin-Kaulsdorf


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Als Prototyp für ein neues serielles Bauen wurde das Berliner „Wohnregal“ von FAR frohn&rojas oft bezeichnet. Spannend sicherlich, aber tatsächlich auch ein gangbarer Ansatz im Planungsalltag? In Kaulsdorf im Berliner Nordosten muss sich das Experiment nun beweisen. Dort entsteht gerade im Auftrag des architekturaffinen Entwicklers Euroboden ein Komplex mit Eigentumswohnungen. Vor rund zwei Jahren wurde das Projekt vorgestellt, nun hat sich Baunetz die Baustelle angesehen.

Von Stephan Becker

Wer bei Verdichtung immer nur an Restgrundstücke in Innenstadtlagen denkt, dem sei ein Ausflug in den Berliner Nordosten empfohlen. Rund 30 Minuten sind es mit U- und S-Bahn von Kreuzberg bis zum Bauplatz am Rande des Wuhletals inklusive eines kleinen Spaziergangs entlang des gleichnamigen Grünzugs. Die zeilenartig bebauten Straßenzüge haben hier einen fast schon bürgerlichen Charakter, der allerdings immer wieder von etwas zu groß geratenen Abstandsflächen des modernen Städtebaus unterbrochen wird. Auf einer dieser Flächen, wo einst eine Gaststätte stand, ragt nun ein dicht gestaffelter Rohbaukomplex in die Höhe. Dieser besteht bei Fertigstellung aus einem Sockel und zwei sechsgeschossigen Riegeln, deren Abstand sich laut Architekt Marc Frohn mit rund 18 Metern an den Straßenprofilen der Innenstadt orientiert. Die Verteilung des Programms auf zwei Volumen ist einerseits dem Wunsch geschuldet, die bestehenden Raumbezüge nicht zu unterbrechen, war andererseits aber auch eine städtebauliche Forderung.

Bei einer Wohnfläche von 7.650 Quadratmetern sei das Projekt in Kaulsdorf rund zehnmal größer als das Haus in Moabit, berichtet Frohn bei der Besichtigung. Während des Rundgangs kommt zeitlich eng getaktet eine Deckenplatte nach der anderen auf die Baustelle. Per Kran geht es hinauf ins aktuelle Geschoss, wo dann zwei Arbeiter*innen ausreichen, um die Platten in Position zu bringen.

Rund 8.300 Fertigteile werden für das Projekt benötigt, wobei diese Zahl neben Stützen, Trägern und Deckenelementen auch die Bäder umfasst. Letztere werden als fertige Zellen angeliefert und Geschoss für Geschoss vor Montage der nächsten Ebene eingebracht. Der restliche Ausbau des offenen Grundgerüsts erfolgt dann im Trockenbau, was nicht zuletzt im Zusammenspiel mit Spannweiten von bis zu 13 Metern eine gewisse spätere Anpassbarkeit der Struktur garantiert. In räumlicher Hinsicht ist jede der Wohnungen durchgesteckt. So sind die künftigen Nutzer*innen sowohl dem kollektiveren Geschehen in Hof- und Erschließungsraum als auch den privateren Außenseiten zugewandt. Bodentiefe Schiebefenster sorgen auch dort für frische Luft. Der Zugang zu den Wohnungen erfolgt über Laubengänge und vier Treppenhäuser mit Aufzügen in den Gebäudeecken.

Für Frohn und sein Team stellt der Betonskelettbau in Kaulsdorf nach Moabit den nächsten logischen Schritt dar. Das anhand des Prototyps erarbeitete Wissen bezüglich des Entwerfens mit Fertigteilen ließ sich maßgeblich auf das neue Projekt übertragen. Der Hersteller, der üblicherweise Gewerbehallen vorfertigt, war schon beim Vorgänger mit im Boot. Auch hinsichtlich der Statik wurde mit denselben Partnern zusammengearbeitet.

Laut Frohn kommt darin die Stärke von Netzwerken zum Ausdruck, die sich teils schon seit Jahrzehnten mit der Vorfertigung von Betonelementen beschäftigen. Und wurde das Wohnregal aus Perspektive solcher Profis vielleicht noch als Orchidee betrachtet, hatte FAR nun schon allein aufgrund des weitaus größeren Bauvolumens ein ganz anderes Standing. Aus der Vorfertigung ergibt sich übrigens eine Reduzierung der Rohbauzeit auf rund 3,5 Wochen pro Geschoss – bezogen auf das Gesamtvolumen noch einmal eine deutliche Effizienzsteigerung gegenüber Moabit.

Insgesamt entstehen derzeit über 120 Eigentumswohnungen in 20 verschiedenen Grundrisstypen – auch das ein Ausweis der Flexibilität des neuen seriellen Bauens. Neben der eigenen Einheit gehören einige Gemeinschaftsangebote und das von Topotek1 gestaltete Gartenplateau zum Programm. Im Sockel wird es neben privaten Parkplätzen außerdem auch Flächen für Car-Sharing-Angebote geben. Mit einer Fertigstellung des Wohnkomplexes rechnen die Verantwortlichen im Herbst 2023.

Fotos: Marcus Glahn


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Kommentare
...geben nicht die Meinung der Redaktion wieder, sondern ausschließlich die ihrer jeweiligen Verfasserinnen und Verfasser.

11

Hope | 29.02.2024 08:55 Uhr

Schandfleck

Ich wohne in dieser Straße und kann für die meisten Bewohner dort sprechen. Dieses Gebäude ist ein hässlicher Schandfleck in unserer Straße. Diese Kaninchengitter an den "Balkonen" sind also gewollt? Da kommt keine Balkonbrüstung hin? Dazu die hässliche Fassade zu den Straßen. Die Balkone liegen sich so dicht gegenüber, dass man fast zum anderen Balkon hinüber springen könnte. Wer denkt sich sowas krankes und hässliches bloß aus. Wir Anwohner in der Umgebung finden diesen Schandfleck nicht schön. Aber uns Anwohner fragt ja keiner.

10

ixamotto | 13.03.2023 10:59 Uhr

...

ich verstehe die pseudo-investigative frage von kommentar #9 gar nicht. ich denke, dass die wohnprojekte von FAR absolut berichtenswert sind – gerade weil sie fragen aufwerfen, über die sich trefflich grübeln und streiten lässt. das zeigt die volle kommentarspalte.

an diesem projekt lässt sich eben z.b. wunderbar veranschaulichen, dass konzepte für günstiges bauen nur dann in günstigeren wohnungen resultieren, wenn sie nicht zur privaten kapitalverwertung eingesetzt werden, sondern für modelle, die sozial nachhaltig auf der grundlage von planungs-, erstellungs- und betriebskosten wirtschaften – ohne profite abzuschöpfen, die andere menschen dann letztlich mit steigenden individuellen reproduktionskosten, dem risiko von altersarmut oder einer verdrängung aus ihren sozialen netzwerken finanzieren müssen.

9

WAAAARUM | 13.03.2023 07:44 Uhr

Was zahlt FAR an Baunetz?

Stellen wir hier jetzt schon unfertige Projekte vor?
Wenns von FAR kommt geht das wohl...

[Antwort der Redaktion: In der Reihe ImBau berichten wir seit mehreren Jahren über und von Baustellen. Die Auswahl erfolgt redaktionell. Vorschläge unserer Leser*innen nehmen wir gern an unter redaktion@baunetz.com.]

8

Skeptiker | 12.03.2023 20:24 Uhr

qm Preise Hellersdorf

Hab lange nicht mehr geschaut, da ich mittlerweile etwas gefunden hab.Gerade auf Immoscout ist für Marzahn Hellersdorf fast ausschließlich der Wohnturm in der Märkischen Allee mit Preisen ab 5000 zu finden. Beim Rest der 63 Treffer war noch eine Wohnung am Schloss Biesdorf und eine in Mahlsdorf dabei die deutlich darüber lag. Der Rest waren Bestand und Kapitalanlagen. Wobei hier auch für mich Wohnungen mit 4 Zimmer+, da 3 Kinder und Frau, interessant waren die sowieso zu wenig vorhanden sind. Märkische Allee wird zb nur bis 85 qm 4 Zimmer angeboten wobei die Küche in Zimmer 4 integrierte ist so das es eher nichts für größere Familien ist. Rückblickend kann ich auch nur sagen das die Preise früher niedriger waren. Hab aber erst 22 gekauft da ich früher in Berlin auch Wohnungen mieten konnte. Ich finde das Projekt übrigens ziemlich gut, da es sich von der doch sonst sehr homogenen Berliner Wohnarchitektur unterscheidet und auch die Lage ist nicht verkehrt.

7

ixamotto | 12.03.2023 13:47 Uhr

@skeptiker

ich habe hier wiedergegeben, was verschiedene statistische erhebungen dazu sagen - dort werden durchschnittspreise auf der basis empirischer beobachtung und datenauswertung ermittelt. neubau bedeutet erstbezug nach erstellung.

gerade habe ich mit wenigen mausklicks 12 angebote für neubauwohnungen im bezirk gefunden, die alle ca. 1.000 € unter dem qm-Preis des hier vorgestellten projektes liegen.

der aktuelle ibb-wohnungsmarktbericht für berlin (stand 2021, keine aufschlüsselung nach alt- und neubau) stellt ebenfalls fest, dass die qm-Preise in marzahn-hellersdorf zuletzt überwiegend unterhalb von 5.000 € lagen: 101 angebote insgesamt in 2021, davon 55 unter 4.000, 21 unter 5.000, 16 unter 6.000 und 9 über 6.000 €/qm

so ungern ich ihre eigenen erfahrungen in hellersdorf schmälern möchte, so skeptisch stimmt mich das, was sie schildern, angesichts der faktenlage.

6

Skeptiker | 11.03.2023 17:38 Uhr

qm Preise Hellersdorf

Ich habe ein Jahr lang nach einer Wohnung in Hellersdorf gesucht. Konnte keinen Neubau mit qm Preis unter 6000 Euro finden.DDR Plattenbau natürlich. Würde ich aber nicht mehr als Neubau bezeichnen.

5

ixamotto | 11.03.2023 10:06 Uhr

...

ich kann den vorangehenden kommentaren nur zustimmen. das projekt ist von den beklemmenden grundrissen, über die erschliessungssystematik bis hin zu materialisierung und ausführung auf maximale kostenersparnis zum zwecke der verwertung getrimmt.

durch anwendung von prinzipien, die man bislang v.a. aus dem sozialen wohnungsbau oder aus jüngeren baugruppen- und genossenschaftsprojekten kennt, entsteht anders als dort aber keine einzige günstige wohnung. denn der bauträger eignet sich die gesparten kosten als rendite an.

die im internet angegebenen kaufpreise liegen aktuell bei ca. 5.500 €/qm und damit – die daten variieren – ca. 1.200 € (niedrigste differenz) über dem durchschnittspreis für neubauwohnungen im bezirk marzahn-hellersdorf.

4

ep_ | 10.03.2023 22:02 Uhr

Wohn-Experiment

Danke @ ado. Sie nennen einen der springenden Punkte: Leider erfährt man dazu bei BauNetz ohnehin viel zu wenig. Mich interessiert der qm-Preis bei so viel serieller Bauweise. Aber mir fehlt noch mehr: Mit dem Grundriss des Gartengeschosses allein kann ich gar nix anfangen, solange ich nicht weiß, was im Geschoss drüber stattfindet - denn das soll doch wohl 'ne Maisonette-Wohnung sein. Hasenstallgrundrisse: Nur eine Dusche mit drangeklemmtem WC + Waschbecken. Wenn einer mal muss, während der andere duscht, bleibt ja noch die Küchenspüle - und für die Koffer der Laubengang. Von klimagerechtem Bauen reden wir erst gar nicht.

Schließlich auch Dank an @ ort des grauens. Tolle Idee, den Balkon multifunktional als Durchgangsstraße, Abstellraum und Wohnungserweiterung zu nutzen. Herr Architekt, Sie sind als Mustermieter herzlich eingeladen!

3

ado | 10.03.2023 18:58 Uhr

pinke pinke

Bei dieser ganzen Lobhudelei, wie toll experimentell alles ist, fehlt mir eine Aussage zum Preis.
Was ist der Errichtungspreis im Vergleich zur herkömmlichen Bauweise, was wird der Verkaufspreis sein.
Wenn 2 Leut*e + 1 Kranfahrer* 3,5 Wochen pro Geschoss benötigen, müsste ja gegenüber 30+ Einschaler*n und Eisenstricker*n extrem viel eingespart werden. Wirkt sich das irgendwo aus oder steckt sich das der Entwickler in die Tasche?

2

ort des grauens oder | 10.03.2023 17:48 Uhr

prototyp der zukunft?

Wenn ich mir vorstelle,

dass die künftigen Bewohner wahrscheinlich ihre Bierkästen auf den Laubengang stellen oder ihre Schuhregale, jedenfalls keine Designerstühle und Rennräder,

dass vermutlich Kleinkinder gerne zwischen die Maschenweite der Kaninchendraht-Absturzsicherung ihre Arme und Beine stecken, was die Eltern vermutlich nervös macht und dann Antidurchsteck- und Sichtschutz anbringen lässt,

wenn ich mir vorstelle,

dass die Konstruktion in Sichtbeton im Innern für fulminante Akustikstrecken sorgt, die das Zusammenleben gleich ein wenig komplexer, weil ungewollt intim werden lässt,

bin ich geneigt, es als ein Wohnexperiment anzusehen, das sich nicht durchsetzen wird.

Bei einem Vortrag von Baumschlager und Eberle in den 90er Jahren sagte einer der Architekten einmal, es sei immer schade, wenn man eine gute Architektur macht, und dann kommen die Bewohner und zerstören das Gesamtbild.

Nun ja.

1

arcseyler | 10.03.2023 16:55 Uhr

......

wie bereits gesagt: es lebe der ordentlich eingewachsene sozialistische Städtebau da drumherum, mit ordentlichen Grundrissen und weitgehenden Sonnenbalkonen. Zu deren Fassaden würde Scharoun sagen: ja haben sie denn eine? Die wurden eine lange Zeit im Besserwesten schlechtgeredet. Bleibt dem Neubau nur ungünstige Resteoptimierung mit Gag.

 
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Betonskelett mit Fertigteilbädern vor Montage der nächsten Ebene.

Betonskelett mit Fertigteilbädern vor Montage der nächsten Ebene.

Das Gartenplateau werden Topotek1 gestalten. Der Abstand zwischen den Zeilen orientiert sich an innerstädtischen Straßenprofilen, wirkt im weiten Umfeld aber bemerkenswert verdichtet.

Das Gartenplateau werden Topotek1 gestalten. Der Abstand zwischen den Zeilen orientiert sich an innerstädtischen Straßenprofilen, wirkt im weiten Umfeld aber bemerkenswert verdichtet.

Blick in den Hof über die Laubengangbalkone hinweg.

Blick in den Hof über die Laubengangbalkone hinweg.

Der Neubau ordnet sich den Plattenbauten im Umfeld unter.

Der Neubau ordnet sich den Plattenbauten im Umfeld unter.

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