Seit ihrer Gründung sitzt die Tageszeitung taz in einem Haus an der Berliner Kochstraße. 1997 wurde es nach Plänen von Gerhard Spangenberg um einen Glasanbau erweitert. Derzeit entsteht in der südlichen Berliner Friedrichstraße ein neues Verlagshaus. Die Pläne dafür stammen vom Zürcher Büro E2A, das 2014 den Wettbewerb gewann. Wim Eckert spricht über Raumaufteilung und die Win-Win-Situation Treppe.
Von Sophie Jung
Ein Fassadenmodul auf der Baustelle zeigt eine Einheit der Diagonalstützenkonstruktion für den neuen Verlagssitz. Ist das ein Demonstrationsmodell für die Öffentlichkeit, vergleichbar mit der rekonstruierten Ecke der Schinkel’schen Bauakademie? Nein, das Fassadenmuster hat praktische Gründe. Unseren Entwurf müssen wir testen, schließlich realisieren wir diese Stützenkonstruktion zum ersten Mal. Das Modul ist ein Eins-zu-Eins-Testfeld, vor dem wir mit der taz und dem Fassadenhersteller alles durchsprechen. Es kann um kleinste Details gehen – schwarze Verfugungen, sichtbare oder verdeckte Verschraubungen usw. Erst wenn die vielen Arbeits- und Materialschritte abgesprochen sind, gehen wir in die Produktion. Überraschungen können gut sein, bei einem Gebäude ist es aber besser, wenn alle am Ende sagen: „So haben wir uns das vorgestellt“.
Flexibilität und Offenheit des Innenraums waren die wichtigsten Charakteristika Ihres Wettbewerbsentwurfs von 2014. Jetzt stehen schon mehrere Etagen, und noch immer ist keine Raumaufteilung zu sehen. Wo wird denn die Chefredaktion sitzen? Es gibt viele Möglichkeiten das Haus zu bespielen. Die äußeren Diagonalstützen formen die gesamte Tragstruktur, gemeinsam bilden sie eine Art aufgelöste Wand. Theoretisch kann dazwischen eine 450 Quadratmeter große Bürofläche ohne Wände sein. Wie die taz die Räume aufteilen wird, muss sich einpegeln. Wir geben möglichst viele Optionen.
Dass sich die Mitarbeiter ihren Bau aneignen können, hat gewiss damit zu tun, dass Ihr Bauherr eine genossenschaftlich organisierte, linke Zeitung ist. Eine diktierte, von langer Hand geplante Raumaufteilung ist bei der taz wohl undenkbar. Wir wollen der taz nicht vorschreiben, wie sie zu arbeiten hat. Das möchten wir bei keinem Bauherrn. Aber die Prozesse sind besonders. Für den Neubau der Heinrich-Böll-Stiftung in Berlin (2008) etwa gab es viele mehrstündige Absprachen mit der Personalabteilung und dann wurden die Bürowände gezogen. Mit der taz hingegen sind wir in einem steten Dialog, eine Vertreterin teilt uns schrittweise die Raumwünsche der Mitarbeiter mit.
Welches Motiv haben Sie vom jetzigen taz-Gebäude übernommen? Die zentrale Treppe. Im jetzigen Haus spielt sie als informeller Ort eine wichtige Rolle. Das haben wir uns abgeschaut. Unsere Treppe wird sehr offen werden, mit Sitzflächen und Podien.
Welche ist die größte Änderung im Vergleich zum Wettbewerbsentwurf? Die Position der Treppe. Erst spät haben wir sie ins Gebäudeinnere geschoben. Zunächst war sie aus baurechtlichen Gründen direkt an der Friedrichstraße positioniert. Aber irgendwie gab es seitens des Bauherren und auch bei uns so eine Ahnung, dass sie nicht die richtige Position hat. Schließlich haben wir in Bezug auf die Gebäudegröße argumentativ eine Verschiebung der Treppe bewilligen können. Jetzt haben wir also diese repräsentative Treppe im Foyer und interessanterweise hat sie sich zu einem zentralen Motiv für das ganze Haus entwickelt. Für alle eine Win-Win-Situation.
Die taz pflegt eine Tradition der öffentlichen Auseinandersetzung mit dem Axel-Springer-Verlag, der an der gleichen Straße sein Haus hat. Springer lässt sich von OMA derzeit einen spektakulären neuen Verlagssitz bauen. Ist der OMA-Entwurf von Belang für Ihr Projekt? Nein. Wir wissen zwar um die Streitigkeiten zwischen Springer und der taz, aber die Gestalt unseres Gebäudes ist vollkommen unabhängig entstanden. Um ein ästhetisches oder politisches Statement geht es uns nicht. Die Form des Gebäudes erklärt sich, nebst seinem städtebaulichen Dispositiv, aus seiner Leistungsfähigkeit.
Wie stellen Sie einen Bezug zur Stadt und zur Rolle des Baus als Verlagshaus einer Tageszeitung her? Offenbar nicht symbolisch. Wir verankern das Haus städtebaulich mit seinem Standort an Friedrichstraße und Besselpark. Seine offene Fassade, Balkone und die Caféterrasse im Erdgeschoss greifen in die Umgebung ein. Gleichzeitig bildet der Bau mit dem Nachbarn auf der Friedrichstraße, dessen Traufhöhe wir übernahmen, quasi ein Tor zum Park. Mit dem Atelierturm von John Hejduk für die IBA 87 schlägt unser Haus eine Diagonale über den Besselpark. All das sind Bezüge zu Berlin, die sich aus dem Standort heraus entwickeln. Was die Gestalt des Hauses als Sitz einer Tageszeitung angeht, arbeiten wir nicht direkt emblematisch, aber der Bau ist durch die großen Verglasungen und seine davor liegende Netzhaut sehr transparent und vermittelt sein Innenleben nach außen. Passanten können sehen: Hier wird immer gearbeitet.
Zum Thema:
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Baumeister | 12.06.2017 14:46 UhrSchöner Neubau
Bin gespannt auf das fertige Gebäude wie die Tragstruktur dann mit Fassade wirkt. Sympathisches Interview und neben Marte Marte endlich mal ein Neubau im Berliner Zentrum auf den man sich freuen kann.