Der Mariendom in Neviges war von Anfang an ein Experiment – nicht nur formal, sondern auch in konstruktiver Hinsicht. Seinem robusten Äußeren stand dabei immer die Fragilität der Betonhülle entgegen, bei der schon kurz nach Fertigstellung feine Risse Wasser eindringen ließen. Gottfried Böhm, der im Januar 99 wurde, hat das Gebäude vor etwas mehr als 50 Jahren errichtet. Sohn Peter ist nun für die Sanierung der Dachflächen zuständig.
Von Klaus Englert
Allein im Erzbistum Köln wurden im ersten Nachkriegsjahrzehnt 194 Kirchenneubauten errichtet, nicht hinzugerechnet die vielen wiederaufgebauten Kirchen. Der 1955 verstorbene Dominikus Böhm stand mit Sohn Gottfried an der Spitze der gefragten Kirchenbaumeister: Beide kamen ihrerzeit auf 15 realisierte Kirchen, dicht gefolgt von dem Kölner Rudolf Schwarz, der immerhin zehn Kirchen vollendete.
Gottfried Böhm, der 1955 das Büro seines berühmten Vaters übernahm, orientierte sich anfangs an der klaren Formgebung der Bauhaus-Architektur. Der Sakralbau blieb für Architekten allerdings ein beliebtes Experimentierfeld, auf dem sie frei von rigiden funktionalen Zwängen die neuen Tendenzen in der Architektur erproben konnten. Der studierte Bildhauer Gottfried Böhm dachte dabei vermehrt an die skulpturalen Möglichkeiten, die sich durch Beton eröffneten. Und so kam es, dass Böhm den Sichtbeton zu höchst expressiven Gestalten formte.
In diesem Geist entstand auch die wie ein Gebirgsmassiv erscheinende Wallfahrtskirche in Neviges bei Velbert, die aus einem Wettbewerb hervorging. Der Sakralbau, ein Faltwerk aus Stahlbeton ohne äußere Abdichtung und Dacheindeckung, war von Beginn an eine konstruktive Herausforderung. Problematisch waren die unterschiedlich geneigten Flächen, Kanten und Kehlen. Die Decke wurde zwar zweischalig aus wasserundurchlässigem Beton mit einer dazwischenliegenden Kunststofffolienabdichtung konstruiert, doch bei den restlichen Dachteilen entschied sich Gottfried Böhm für eine einschalige Ausführung. Das erwies sich als fatal, denn bereits nach wenigen Jahren entstanden Feuchtigkeitsschäden, verursacht durch Risse im Stahlbetondach.
Die erste Instandsetzung begann bereits Ende der 80er Jahre, als man beschloss, auf die Dachkonstruktion eine flächige Epoxidharzschicht aufzutragen. Damit war das Problem aber keineswegs gelöst, weil sich die Schicht als zu starr erwies und in der Folge an vielen Stellen riss. Als der Zustand bedrohlich wurde, beauftragte der Diözesanbaumeister Martin Struck, dem die Bauaufsicht unterliegt, eine Expertenkommission unter Leitung von Gottfried Böhms Sohn Peter. Das Ziel war, eine nachhaltige Form der Dachsanierung zu finden.
Peter Böhm kann heute bei der Sanierung Verfahren anwenden, die vom Institut für Bauforschung der RWTH Aachen entwickelt worden sind. Zunächst entschied man, die schwer lösbare Epoxidharzschicht zu entfernen und den Stahlbeton instand zu setzen. Der nächste Arbeitsschritt besteht jetzt darin, faserverstärkten Spritzbeton aufzutragen, der das Dach dauerhaft abdichten soll. Man wählte eine 28 Millimeter dicke Mörtelschutzschicht, die im Zwischenbereich eine textile Bewehrung aus Carbon aufweist. Mit diesem Schutzauftrag sollen die Auswirkung der Risse im Beton aufgefangen werden.
Bisher konnte die neue Methode auf einer Teilfläche des insgesamt 2800 Quadratmeter Fläche umfassenden Daches erfolgreich angewendet werden. Der zweite Bauabschnitt von rund 800 Quadratmetern dürfte in den nächsten Monaten abgeschlossen sein. Dann ist allerdings auch das bisherige Budget von rund 6 Millionen Euro, das sich Erzdiözese, Stiftung Denkmalschutz, Wüstenrot-Stiftung und Staatsministerium für Kultur teilen, aufgebraucht. Martin Struck meint, dass die restliche Instandsetzung voraussichtlich weitere zwei Jahre dauern dürfte. Doch genau sagen lässt sich das momentan nicht, da die weitere Finanzierung noch nicht gesichert ist. Experiment und Baustelle gehen in Neviges also weiter.
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gerard | 20.02.2019 08:53 Uhr@h.h.
schoener kommentar!