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22.09.2022

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Keine Primadonna

Baugruppe in Berlin von Bolles+Wilson


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Das fertiggestellte Baugruppenprojekt in Berlin-Schöneberg sei „ein Chormitglied und keine Primadonna, die aus der städtischen Choreografie Berlins stadträumlicher DNA ausschert.“ So steht es gleich im ersten Satz der Projektbeschreibung von Bolles+Wilson (Münster) und man fragt sich beim Lesen unwillkürlich, ob das eine kleine Spitze gegen die benachbarte Baugruppe von June14 Meyer-Grohbrügge & Chermayeff (Berlin, New York) ist. Beide Neubauten sind aus einer gemeinsamen Initiative und auf einem gemeinsam erworbenen Grundstück entstanden – und könnten unterschiedlicher nicht sein. Chormitglied und Primadonna trifft es schon ganz gut.

Hier soll es jedoch alleine um das Gebäude von Bolles+Wilson gehen. Dieses hält sich brav an die Berliner Traufhöhe und an die Straßenflucht, auch wenn die städtebauliche Struktur der Umgebung zwischen Nollendorfplatz, Kurfürsten- und Bülowstraße die vielen Brüche Berlins bestens wiedergibt. Von der als Spielplatz umgenutzten Bombenbrache über wenige verbliebene Stadtvillen und allerlei Wohnungsbauten der Nachkriegsmoderne bis zu Ludwig Hoffmanns wuchtigem Neoklassizismus für die benachbarte Baugewerkschule (heute Berliner Hochschule für Technik BHT) ist hier wirklich alles zu finden.

Da ist die Frobenstraße 1 von Bolles+Wilson ein beruhigender Anker: Die dunkelgraue Putzfassade zur Straße gibt der Vielzahl unterschiedlicher Fenster einen stabilen Rahmen. Das Erdgeschoss mit den großen Schaufenstern nutzen derzeit zwei Kunstgalerien. Die erste Ebene darüber wird mit Sims und durchlaufendem, schwarzen Geländer als Beletage skizziert. Einzig die Fenster liefern einen Hinweis darauf, dass die Wohnungen mit einigen Überraschungen aufwarten: 3,10 Meter lichte Raumhöhe in jedem Geschoss, schief gestellte Wände, zweigeschossige Räume und Maisonette-Schnitte ergeben eine breite Palette unterschiedlicher Grundrisse. Oben formuliert das mit einem faschen-artigen Rahmen betonte Fensterband des Penthauses einen deutlichen Abschluss.

Im Inneren dominieren Ortbeton-Oberflächen die Optik der roh belassenen Wohnräume. Diese werden allerdings ergänzt durch das auffällige, schwarz-weiße Fliesenmuster in den Gängen und im Aufzug, durch kräftige Wandfarben in den Erschließungsfluren sowie „die vielleicht größte Kokosmatte“ (Bolles+Wilson) im Eingang unter den farbigen Briefkästen. Farbe gibt es auch auf der Hoffassade und auf der Brandwand zum südlichen Nachbargrundstück, das als Spielgarten der dortigen Kita offen bleibt. Hier entschieden sich die Architekt*innen für einen Putz in hellem Rosa. Damit wollten sie auch den kleinen Gemeinschaftsgarten hinter dem Wohnhaus aufhellen, der sonst von der hohen Brandwand der BHT dominiert wird.

Der Garten besteht aus einer mittigen Wiese mit Hügel, Hochbeeten für die Mieter*innen sowie einem sehr großen Sandkasten. Die unterschiedlichen Wohnungsgrößen und -zuschnitte haben laut Planer*innen eine vielfältige Mieterschaft angezogen: junge oder ältere Paare und Familien mit insgesamt sechs Kindern. Nur einmal tanzt das Chormitglied dann doch noch etwas aus der Reihe: Mit einem Riesenfußabdruck auf der Brandwand zur Kita. (fh)

Fotos: Aya Schamoni, Bolles+Wilson


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Kommentare
...geben nicht die Meinung der Redaktion wieder, sondern ausschließlich die ihrer jeweiligen Verfasserinnen und Verfasser.

10

Latimer | 27.09.2022 19:07 Uhr

Baugruppe

Es ist ein schönes Stück Architektur und ich würde in jede Wohnung einziehen. Neben der üblichen Meterware im Wohnungsbau, tut es sehr gut, einmal verschiedene räumliche Angebote zum Leben zu haben. Die Details zeigen deutlich, dass B&W immer wieder versuchen, allen zukünftigen Zusammenlebenden etwas Besonderes und eine eigene Identität zu bieten.

In Städten wie Wien, wird das recht oft und selbst im sozialen Wohnungsbau, schon lange und in hoher Qualität gemacht. In Deutschland empfinde ich das als geradezu aufsehenserregend!

9

Nikolaus | 27.09.2022 17:28 Uhr

seltsam umstrukturiert

Komisch. In den 90ern als Student hätte ich sowas vielleicht entworfen und wäre stolz gewesen, dass es wenigstens nicht langweilig ist. Jetzt mit Abstand finde ich es langweilig, ja fast abstoßend. Düsteres Grau außen, rohe Wände innen, die sich jedem Wohlfühlen verweigern, keinerlei unmittelbar erkennbare Struktur in der Fassade. Das kann irgendwie nicht die Zukunft des zeitgenössischen Bauens sein.

8

lutzinger | 24.09.2022 17:28 Uhr

Primadonna UND Chormitglied

Ich finde nicht, dass eine Primadonna etwas Schlechtes sein muss. In meiner Stadt soll es bitte von beiden etwas geben. So finde ich auch diese beiden Häuser in unmittelbarer Nachbarschaft eine ganz besondere Qualität und wo könnte das besser nebeneinander stehen als in der völlig zerrissenen Struktur neben der Potsdamer Str.! Es sind beides - auf ihre Art - gute Häuser.

7

peter | 23.09.2022 15:39 Uhr

was hier als "toll" abgefeiert wird,

ist echt unglaublich.
aber was will man in deutschland auch noch erwarten...

6

stph | 23.09.2022 14:21 Uhr

zu 3

Moderne Zimmer sind wegen ihrer oft geringen Deckenhöhe, horizontal gerichtete Räume, was in der weiteren Gestaltung von Haus oder Wohnung durch Kontrast oder Gleichklang aufgenommen werden kann.
Das ist nicht nur Ökonomie sondern bewusst kein körperangepasster sondern abstrakter Raum, kreiert etwa von LC, und so auch bewusst einzusetzendes Gestaltungselement, als der Kern des Ganzen.


5

auch ein | 23.09.2022 10:32 Uhr

nicht besser, aber auch nicht schlechter

Ich kann meinen Vorrednern hier nur zustimmen, das Gebäude kommt trotz der sich selbst gestellten Aufgabe der Verschränkung von horizontalen und vertikalen Räumen sehr unaufdringlich daher. Sicherlich gibt es Bauelemente, welche etwas aus der Zeit gefallen wirken, wie z.B. das bodentiefe Fensterband im obersten Geschoss, welches sich plastisch in Richtung Straße absetzt, keine Frage. Die Innenräume dagegen wirken trotz des Betons (Beton ist sooo 90s!) relativ wohnlich und nahbar.

Zwar wirkt das Gebäude von June14 etwas frischer, jedoch jeder, der das Gebäude schon einmal im Innenraum besichtigen konnte, wird merken, dass zu viel Glasanteil hinsichtlich vielerlei Faktoren gewisse Nachteile mit sich bringt. Fehlende Privatheit, Nachhaltigkeit, Formalismus im Grundriss (wenn auch ansprechend gelöst) und, und, und lässt das Gebäude von June14 sehr ignorant gegenüber dem gegenwärtigen gesellschaftlichen Diskurs wirken - als wäre dieses aus einer Zeit, in der man noch rauchend im Hörsaal saß (Grüße an Sam C. gehen raus :))

Nicht, dass das Gebäude von B&W hier ein Meisterwerk für nachhaltiges Bauen oder einen absoluten Augenschmaus darstellt, dennoch bekommt man das Gefühl es sei um die Nutzer*innen entworfen und geplant - und nicht andersherum. Bekanntlich sind Lebensentwürfe verschieden, sodass beide Gebäude ihre absolute Berechtigung im Stadtbild haben und im Gegensatz zum Schönegarten Quartier von TchobanVoss etwas mit der Stadt machen, was man noch unter Architektur verstehen kann.

#BesserBauenImBestand

4

Fritz | 23.09.2022 09:21 Uhr

Attika

die Attika ist schick - und das Gebäude ist auch schick. Die Fassade wohl komponiert -aus den Bedürfnissen heraus diesen aber nicht ausgeliefert sonder mit dem Willen zur Gestaltung. Auch von Innen sehr überzeugend. Toll! Einzig und allein der Luftbügel zur Terrasse gefällt mir nicht so sehr....

3

STPH | 22.09.2022 18:32 Uhr

Raumspiel

Schöne Kombination horizontal gerichteter mit vertikal gerichteten Räumen. Das allein reicht.

2

Christian Richter | 22.09.2022 16:56 Uhr

Unverschämt uneitel.

Ein charmantes Projekt, und es kommt unverschämt gelassen daher. Die Primadonna könnte tatsächlich das Haus nebenan sein, und man versteht auf Anhieb den Unterschied - nicht zwischen gut und schlecht, aber die Unaufgeregtheit dieses Gebäudes kommt eben schon aus der Erfahrung des Büros und der Architekt:innen - man muss beim 100ten Gebäude das Wohnen nicht neu erfinden. Im Gegenteil, hier haben die Architekten vielleicht sogar etwas weggelassen, und zwar ihre Eitelkeit. Das ist so wohltuend, und so selten - man hofft für die benachbarten, und eigentlich alle Kolleg:innen, dass ihnen das in Zukunft auch öfter gelingen möge. Chapeau!

1

urh | 22.09.2022 16:29 Uhr

OK?

ist das von 2004?
im Schatten von June14...

 
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