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16.08.2022

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Altbackene Nationalismen in Tirana

Baubeginn für Wohnhochhaus von MVRDV


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Albaniens Hauptstadt Tirana hat in den letzten Jahren einen beeindruckenden Entwicklungsschub erlebt. Am Skanderbeg-Platz – dem wichtigsten und größten Platz der Stadt – wird dies besonders deutlich. Lange war das 1969–79 erbaute, modernistisch-schlichte Hotel Tirana International der Architektin Valentina Pistoli (1928–93) die weithin sichtbare, durchaus auch politisch lesbare Höhenmarke der Stadt – und zugleich das höchste Haus des Landes.

Heute wirkt das 56 Meter hohe Hotel geradezu winzig neben den Türmen, die rund um den Platz entstehen. Insgesamt sind vier Hochhäuser bereits fertiggestellt, sechs weitere projektiert. Aktuell erweitern etwa Atelier 4 (Tirana) das Hotel Tirana International um ein schlankes Scheibenhochhaus. Internationale Büros wie 51N4E (Brüssel), Stefano Boeri Architetti (Mailand), BIG (Kopenhagen) oder MVRDV (Rotterdam) planen und bauen seit Jahren in Tirana – nicht nur Hochhäuser am Skanderbeg-Platz, sondern unter anderem ein Stadthaus, ein neues Nationaltheater oder die Umgestaltung der berühmten Hoxha-Pyramide.

Zurück zum Skanderbeg-Platz, wo eines der geplanten Projekte vor Kurzem Baubeginn feierte: Tirana’s Rock ist ein 85 Meter hohes Wohnhochhaus mit zwei Geschossen Verkaufs- und drei Ebenen Büroflächen im Sockel (sowie einer 5-geschossigen Tiefgarage). Verantwortlich für das 35.000-Quadratmeter-Projekt zeichnen MVRDV, die sich bei der Frage, welche spektakuläre architektonische Form auf welche Art argumentiert werden kann, dieses Mal für die freie Übersetzung des Kopfes des albanischen Nationalhelden Skanderbeg (1405–68) entschieden.

Die Übersetzung des idealisierten Profils eines spätmittelalterlichen Fürsten in die gewellte Fassade eines Luxuswohnprojekts wollen die Architekt*innen als Beitrag zur Identitätsbildung verstanden wissen – während zwei historische Villen aus osmanischer Zeit dem Neubau weichen mussten. Bezeichnend auch, mit welcher Aussage Winy Maas in der gestrigen Ausgabe des Guardian zu Situation und Zukunft der Stadt zitiert wird: „Tirana hat die Chance einer leeren Leinwand für hochverdichtete Strukturen.“

Viel Hochhausfläche, viel Kommerz und viel Symbolik also am Skanderbeg-Platz. Doch trotz aller Bemühungen werden die Bauten dem eigentlichen Platz niemals das Wasser reichen können – und das im wortwörtlichen Sinn. Denn die 2017 abgeschlossene, unglaublich mutige Neukonzeption des Platzes durch 51N4E darf ganz sicherlich als einer der besten neueren Stadträume Europas gelten.

Radikal verbannten die Brüsseler Planer*innen den einst dominierenden Autoverkehr und schufen stattdessen eine leicht geneigte Fläche, über die kontinuierlich Wasser läuft, was nicht nur der Abkühlung dient, sondern das Überqueren des Platzes zu einem sehr eigenwilligen Erlebnis macht. Zusammen mit der aufwendigen Bepflanzung an den Platzkanten und der Stadtmöblierung in Terrazzo bringt der Platz belgische Gestaltung auf höchstem Niveau in die Stadt. Gegen diese selbstbewusste und zeitgenössische Identität wirkt das Abbildungsspiel mit alten Nationalismen am Tirana’s Rock mehr als altbacken. (gh)


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Kommentare
...geben nicht die Meinung der Redaktion wieder, sondern ausschließlich die ihrer jeweiligen Verfasserinnen und Verfasser.

6

maestrow | 17.08.2022 15:02 Uhr

Widerspruch zur Freiraumgestaltung?

@Frauke: Gerade wenn Sie schon einmal in Tirana waren, sollten Ihnen auch die politischen Strukturen bis hin zur tief verwurzelten Korruption im Plan- und Bauwesen vielleicht doch nicht ganz verborgen geblieben sein. Allein die Vorstellung die bestehende Stadt als eine Art leere Folie für diverse (belanglose) Investoren-Extravaganzen zu betrachten (wie Maas im Guardian-Interview), zeugt von der vollkommenen Ignoranz der Lieferanten solcher Projektideen gegenüber dem Ort für den sie gerade irgendwas zusammenzimmern. Schlimm ist, dass sich die Architekt/innen aber stets nur an den Oberflächen abarbeiten.

5

ixamotto | 17.08.2022 13:26 Uhr

winy, winy winy can't you see

die suggestion des formfindungsprozesses mittels einer abfolge von isometrien (bild 7-13) ist auf so lächerliche art und weise unglaubwürdig, dass sich niemand wundern würde, wenn der freche "shape" des hochhauses allein durch beharrliches einprügeln eines übernächtigten winy maas auf die styrodur-volumenstudie eines stets bemühten angestellten zustandegekommen wäre. wenn am ende so architektur entsteht, dann sieht so das ende von architektur aus.

4

Frauke | 17.08.2022 12:34 Uhr

Tirana

War grade letztes Jahr dort und und fand die neuen Gebäude und Planungen dort ehrlich gesagt sehr erfrischend, gegenüber der Berliner Rekonstruktionswut. Skanderberg als überkonfessionelle Identifikationsfigur finde ich auch einen vertretbaren Ansatz.

Wenn man die etwas Comichafte Herleitung einmal weglässt bleibt immer noch ein begrünter innerstädtischer Wohnturm mit großzügigen Balkon. Die Mischung aus international anmutenden Großprojekten und kleinteiligen Altbauten und offener Mall im kleinteiligen Maßstab rund um den Skanderberg Platz fand ich ebenso wie die erwähnte Platzgestaltung sehr gelungen.

Warum man jetzt unbedingt einen Widerspruch zwischen der Freiraumgestaltung und der MVRDV Architektur herstellen muss erschließt sich mir nicht.

Wünsche der sehr sympathischen Stadt Tirana auf jeden Fall alles Gute für die weitere Entwicklung!

3

MmM | 16.08.2022 19:57 Uhr

mMm

MVRDV sind eh fast mit die Besten von Allen :)
Ihr Hirn @ auch ein architekt: "Gehen sie respektvoll, mit Ihren Augen, Ihrem Hirn und alles was da dran hängt, um. Schlimm (auch für die Umwelt), was für eine Verzehrung da entsteht wenn sie wirklich das sehen, was beschrieben wurde :D"

2

maestrow | 16.08.2022 17:19 Uhr

Sculp as historical icon

MVRDVs inzwischen sehr ermüdendes Konzeptgedöns ist ebenso schlicht wie belanglos. Was allerdings viel interessanter wäre ist mehr über die Hintergründe des Baubooms in dieser schönen Stadt zu erfahren. Wer plant hier welche Planung? Wer verdient hier eigentlich mit und wer ist da wo involviert? Hier lohnte sich die Recherche! Die Resultate möglicherweise so ernüchternd wie die sculpted historical icons.

1

auch ein | 16.08.2022 16:31 Uhr

architekt

in diesem falle wäre es sicher besser gewesen das maximale bauvolumen auszureizen statt diesen dildo mit warzen zu bauen.

schlimm!

 
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