Ein Grundstück, zwei Büros, drei Gebäude: Im neuen Pariser Quartier Clichy-Batignolles, auf einem früheren Gelände der SNCF gelegen, wurde im vergangenen Jahr ein Ensemble aus Wohnbauten, Geschäften und einer Kapelle fertiggestellt. Das Gesamtkonzept bis hin zur Farbgestaltung war abgesprochen, doch die Architektur blieb trotzdem eigenständig – das zeigt sich beim zentralen Altenpflegeheim des Atelier du Pont. Die Randbebauung des Grundstücks stammt von Jean Bocabeille – mehr dazu hier.
Die Konversionsfläche eines Eisenbahnareals bot Raum für eine neue Wohnanlage. Auf der politischen Agenda steht dabei in Frankreich schon lange die funktionale und soziale Durchmischung. Deshalb reichte es nicht aus, dass hier Jean Bocabeilles (Paris) Gebäudepaar aus einer gehobenen Wohnresidenz und einem sozialen Wohnungsbau entstand. Mit dem zentral platzierten Altenpflegeheim von Atelier du Pont (Paris) sollen zusätzlich auch die Generationen ins Gespräch gebracht werden.
Der Ausgangspunkt für das durch eine öffentlich-private Partnerschaft finanzierte Gesamtprojekt aus Wohnungen, Altenheim, Kapelle und Einzelhandel war dabei offenbar eine gründliche, datenbasierte Analyse – so kryptisch beschreiben es jedenfalls die Architekten. Auf die beiden Büros verteilt sich ein Investitionsumfang von immerhin 38 Millionen Euro bei etwa 18.000 Quadratmetern Fläche. In einem Masterplan wurden die Baukörper positioniert und einige Gestaltungsmerkmale – vor allem die Farbe – abgestimmt.
Durch seine spitzwinkligen und gerundeten Gebäudeecken erinnert die äußere Form des Altenheimes entfernt an die repräsentativen Pariser Stadthäuser á la Haussmann. Von der Idee ausgehend, jedem Zimmer einen eigenen Außenraum mit günstiger Belichtung und ein wenig Privatheit zu geben, entstand eine im großen Raster gegliederte Fassade mit keilförmigen Rücksprüngen in Rot, Orange und Weiß. Abgetreppte Gemeinschaftsbalkone in den oberen Geschossen lassen Licht in den kleinen Innenhof, erzeugen aber durch die hohen, transparenten Brüstungen die optische Anmutung einer kalten Glasburg. Dem kleinen, mit robusten Holzbohlen ausgelegten Hof ist ein ebenfalls nicht sehr großer Gemeinschaftsraum zugeordnet. Großzügigere Aufenthaltsflächen orientieren sich zur Straße.
Was dabei auffällt: Für ein Seniorenwohnheim bemüht sich die Architektur um eine geradezu rasante Schnittigkeit. Doch was ist die Grundlage für eine solche Formensprache? Hinweise gibt die Unternehmensphilosophie von Atelier du Pont, die eine neoliberale Einstellung anklingen lässt: „Im ständigen Dialog“ mit allen Akteuren, sehen sich die Architekten als ein Unternehmen, das mit „obsessiver Genauigkeit“ und „konstanter Präsenz“ arbeitet, um „mit anhaltender Begeisterung die Grenzen des Machbaren zu erweitern“. Dabei bleibe „kein Raum für Gewohnheit oder Wiederholung“.
Angesichts des zwiespältigen architektonischen Ergebnisses hätte es vielleicht nicht geschadet, das Tempo ein wenig zu verlangsamen und im Entwurf den menschlichen Ge-Wohn-heiten Vorrang zu geben vor dem optischen Effekt. Durch den großen Maßstab und die hohe Dichte des Raumprogramms wirkt die an sich solide architektonische Gestaltung doch etwas zu grob für die pflegebedürftigen Bewohner. Um eine wirklich angenehme kleinteilige Durchmischung zu erreichen, genügt die quantitative Analyse als Entwurfsgrundlage nicht. (dd)
Fotos: Takuji Shimmura
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