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24.06.2020

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Rhythmus und Struktur

Ballettschule von Burger Rudacs Architekten in Stuttgart


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Spektakulär und weitgehend pünktlich: Nach vier Jahren Bauzeit wurde in Stuttgart jetzt der Neubau für die Ballettschule „John Cranko“ am Urbansplatz fertiggestellt. Der Entwurf stammt von Burger Rudacs Architekten (München), die im November 2011 den Wettbewerb unter anderem gegen gmp, Nieto Sobejano, Snøhetta, Delugan Meissl, Zaha Hadid und Lederer Ragnarsdóttir Oei gewonnen hatten. Das dafür vorgesehene Grundstück streckt sich vom Urbansplatz hinter der Alten und der Neuen Staatsgalerie steil hinauf zur Werastraße – 21 Meter Höhendifferenz mussten mit einem umfangreichen Raumprogramm in Einklang gebracht werden. Der Neubau umfasst die Probebühne des Stuttgarter Balletts sowie die renommierte Ballettschule, die der britische Choreograf John Cranko hier 1961 gründete und die heute zu den besten der Welt zählt.

Grundsätzlich orientieren Burger Rudacs die Räume der Ballettschule mit ihrem Internat zur höhergelegenen Werastraße. Die Schule bekommt einen eigenen Eingang in einem moderaten, viergeschossigen Baukörper. Dort sind auch die 40 Doppelzimmer für die Schüler*innen untergebracht, dazu die Küche, Gemeinschaftsräume, Speisesaal und ein Patio unter einem großen, kreisrunden Dachausschnitt. Ganz am anderen Ende des langen Gebäudes, am städtischen Urbansplatz, liegt hingegen die Probebühne, in der auch öffentliche Veranstaltungen mit bis zu 200 Zuschauern stattfinden sollen. So bildet das Gebäude nicht eine, sondern zwei Adressen, die ihrer Funktion entsprechend unterschiedlich ausformuliert werden konnten. Dazwischen streckt sich ein 90 mal 36 Meter langer Baukörper mit 13.000 Quadratmetern Grundfläche, die sich aufgrund der Hanglage auf insgesamt zehn Ebenen verteilen.

Um diesen Koloss einigermaßen verträglich in die vorhandene Stadtstruktur zu fügen, verteilten die Architekt*innen die Masse auf vier jeweils 18 Meter tiefe Segmente, die sich jetzt als große Terrassen in einer gerade Reihe den Hang hinaufziehen. „Die unterschiedlichen Funktionsbereiche wurden von uns als ein zusammenhängender Organismus interpretiert“, schreiben Burger Rudacs dazu. „Jeder, der in diesem Haus lebt und arbeitet, will letztlich tanzen. Der Tanz ist also der Leim, der alles zusammenhält. In Analogie zum Tanz ordnen und fügen sich die Räume im Grund- wie im Aufriss in Sequenzen, in rhythmischen Wiederholungen aneinander und in das Ganze ein.“ So enthält jedes der vier Segmente je einen großen und einen kleinen Übungssaal, insgesamt stehen der Schule damit acht Probesäle für den täglichen Gebrauch zur Verfügung. Das sind auch im internationalen Vergleich exzellente Trainingsbedingungen.

Die Höhenstaffelung im gesamten Baukörper ergibt innen wie außen eine abwechslungsreiche Raumfolge. Durch einen Versatz zwischen den kleinen und großen Sälen konnte in jedem Segment noch ein kleiner Patio eingesetzt werden, der dem Baukörper an der Nordseite zusätzlich Rhythmus und Struktur verleiht. Die Außenfassade besteht aus zweischaligem Sichtbeton der Klasse 4 mit innenliegender Kerndämmung. Im Inneren konnte die Haustechnik fast vollständig in die Sichtbetondecken integriert werden. Ergänzt wird die Betonstruktur außen durch dunkle Holz-Aluminium-Elemente, innen durch mikroperforierte Wandfurniere aus Kiefer, die in zwei dunklen Grautönen gebeizt wurden. Diese streng reduzierte Farbskala trage dazu bei, so Burger Rudacs, dass sich die Ausbaumaterialien im Hintergrund halten. Vor allem die großen Spiegelflächen in den Tanzräumen sowie die vielen Durch-, Ein- und Ausblicke bestimmen die Atmosphäre im Inneren – das Gebäude bietet die Kulisse.

Die gesamten Baukosten werden mit 60 Millionen Euro angegeben. Ein offener Punkt ist noch die Zugänglichkeit der Außentreppe, die an der Nordseite eng am Gebäude entlangführt. Hier ist eigentlich eine Begrünung geplant, die als grüne Abkürzung der Öffentlichkeit offen stehen sollte. Über die großen Fenster würde diese auch einen großzügigen Einblick in die Übungsarbeit der Elev*innen bekommen. Noch in der Bauphase entstand eine Diskussion zwischen Schule und Stadt, wie viel Einblick hier angemessen wäre, der derzeit noch nicht entschieden scheint. Aber trotz – oder gerade wegen – der jüngsten Ereignisse in Stuttgart wäre es sehr enttäuschend, wenn man sich gegen einen unbegrenzt öffentlichen Weg entscheiden sollte, der Jede*n in dieser Stadt jederzeit an der spektakulären Raumfolge, an Struktur und Rhythmus dieses Neubaus teilhaben lassen würde. (fh)



Fotos: Brigida González


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Kommentare
...geben nicht die Meinung der Redaktion wieder, sondern ausschließlich die ihrer jeweiligen Verfasserinnen und Verfasser.

27

STPH | 05.07.2020 09:24 Uhr

zu 26, Stuttgart Raum geben

Den engen Talboden zur Wasserhorizontale des Neckars öffnen.
Hangterrassen geben halt im bodenlosen Tal.
Hinter den Höhen das das Tal baulich erweitern mit einer Stadtkrone, an der die Stadt hängt, sich verräumlicht.

26

STPH | 03.07.2020 08:05 Uhr

Bild 1

Trotzdem nochmal zum Städtebau. Hier das Stuttgarter klein klein am Hang.
Erster Versuch wäre die obere Straßenbebauung zum Kubus hangabwärts ins Grundstück ausgedehnt mit entsprechendem Riesenvolumen nach unten und mit einer großen Talterrasse auf der unteren Straßenbebauung.
Das Gleiche nur städtebaulicher. Stuttgarts Eigenschaft ist die Unentschiedenheit, eine Art verbaute Landschaft.

Oder anders herum: das bürgerliche Stuttgart duldet keine Dominanten. Die Stirlinggalerie und der alte Hauptbahnhof sind hier Fremdworte. Die Talsperre des alten Hauptbahnhofs gehört eigentlich abgerissen.

25

peter | 26.06.2020 12:52 Uhr

noch ein lob

das ist eines der extrem wenigen häuser, wo ich nach langen harten und oft ernüchternden jahren des büroalltags wieder richtig lust auf und motivation zur architektur bekomme. das ist sauber und konsequent durchgehalten vom anfang bis zum schluss, und das macht einfach spaß! ich erinnere mich, als wir 2012 vor den wettbewerbsplänen standen und daran gezweifelt haben, dass diese puristischen formen erstens in stuttgart und zweitens noch dazu bei einem öffentlichen bauherrn annähernd umgesetzt werden können. sie konnten. dieses haus hat sich sowas von gelohnt! vielen dank dafür!

p.s. spannend, dass sich herr lederer nebenan mit seiner bibliothek noch schnell vor der eröffnung den betonpreis rausgelassen hat - nicht dass er am ende gegen _diesen_ nachbarn den kürzeren gezogen hätte ;)

24

d.teil | 26.06.2020 11:55 Uhr

Dito

Doll. Doll. Doll. Liegt aber auch an der verführerischen Hanglage zudem. Tolle Grundrisse obendrein. Wird xx Preise kriegen. Zurecht.

23

mehmet | 26.06.2020 09:26 Uhr

ab und zu

ab und zu gibt es diesen moment wo man weiss warum man architektur liebt. das ist so einer. GROSSARTIG!!! ken adams würde es auch gut finden.....

22

°_° | 26.06.2020 08:49 Uhr

Ökologie

Generell ist die Sensibilisierung für dieses Thema natürlich absolut richtig. In diesem Fall möchte ich dazu aber 2 Punkte einbringen:
1. Die Planungszeit: Die Entscheidung das Gebäude so zu bauen ist vermutlich etwa um 2011/12 gefallen. Auch damals konnte man schon über die CO2-Bilanz von Beton Bescheid wissen, aber zumindest war die öffentl. Diskussion (leider) noch nicht so weit wie heute.
2. Verhältnismäßigkeit: Ich glaube nicht dass das eigentliche Problem der Bauökologie in vergleichsweise wenigen Gebäuden mit ikonographischer, übergeordneter baukultureller Bedeutung liegt, sondern in der tatsächlichen Masse an Gebäuden: Industrie-/Büro-/Wohnungsbau etc.

21

Nina | 25.06.2020 18:54 Uhr

@Johanni

Mich würde auch interessieren wie beispielsweise die Aufnahmen von Georg Aerni, Ioana Marinescu oder David Grandorge das Gebäude wiedergeben würden...mit Anspruch auf Teilnahme am internationalen Diskurs. Dass würde dem Gebäude gerecht werden. Details hin oder her, wobei die Stempelaktion des Rasens in Bild 5...

20

Anne | 25.06.2020 17:13 Uhr

@Fred Konkret

Danke, das war auch mein erster Gedanke. Zweifellos wurde das Gebäude meisterhaft geplant und ausgeführt, aber eine solche Betonorgie kommt mir doch heutzutage recht ignorant vor.
Ohne ein Umdenken, auch von Seiten der Architektenzunft, wird es in Zukunft nicht gehen.

19

archi | 25.06.2020 15:08 Uhr

@Tobias @ArchiTekt

Und unbedingt die Bilder von Brigida González gucken. Auf einem Mac Monitor oder so zum Vergleich ;)

18

der andere peter | 25.06.2020 14:11 Uhr

daumen ganz nach oben!

ein grandioses gebäude (konnte es mit während der bauphase mehrfach von innen anschauen, der sichtbeton sucht qualitativ seinesgleichen)! meine absolute hochachtung gilt dem bauherrn und natürlich den architekten. dagegen nimmt sich herrn lederers (ebenfalls gute) stadtbibliothek mit ihren sagen wir mal bürotypischen details provinziell und langweilig aus.

einzig die art, wie hier fotografiert wurde, spricht mich überhaupt nicht an, weil die architekturdokumentation hinter der künstlerischen (?) verfremdung durch die fotografin an vielen stellen in den hintergrund tritt.

17

solong | 25.06.2020 13:36 Uhr

sauber ... sauber

gut gedacht ... gut gemacht ... wer weiss ... wieviel ... einsatz es kostet ... ein projekt ... gerade auch für die öffentliche hand ... so um gesetzt zu bekommen ... weiss wieviel respekt man den kollegen zollen muss ... respekt

16

archi | 25.06.2020 13:19 Uhr

@Tobias @ArchiTekt

Ein Besuch vor Ort und das genaue hinschauen lohnt sich ;)

15

Fred Konkret | 25.06.2020 11:52 Uhr

@atm

Die Außenfassade besteht aus zweischaligem Sichtbeton der Klasse 4 mit innenliegender Kerndämmung.
Man kann das jetzt innovativ finden, aber können wir uns das vor dem Hintergrund des Klimawandels leisten oder sind wir alle doch nur Ästheten, die sich gerne von etwas vorgehängt Puristischem blenden lassen und dafür in Kauf nehmen, dass die unökologischste Variante zum Einsatz kommt? Alles toll geplant und ausgeführt, aber eine Antwort auf die drängensten Fragen unserer Zeit kann ich leider nicht entdecken. Die Akustik im Inneren bei einer Ballettschule ist sicher auch nicht zu unterschätzen, aber das kann man auf Grundlage der Bilder nicht überprüfen.

14

Tobias | 25.06.2020 09:55 Uhr

@archi

...zum Beispiel???

13

Archi Tekt | 25.06.2020 09:36 Uhr

Großartig

Selten in D in den letzten Jahren ein so gelungenes Projekt gesehen.

- Tolle Entwurfsidee am Hang
- Absolut ästhetisch der Entwurf
- Hochpräzise Umsetzung
- Tolle Materialität

Chapeau!!

@archi: Wenn Sie hier nun nichts anführen, kann man Ihre Kritik einfach nicht ernst nehmen, sorry..

12

archi | 25.06.2020 08:24 Uhr

@Santa Maria

Diverse Kleinigkeiten. Sowohl innen als auch außen. Architektur ist eben auch Handwerk.

11

Johanni | 25.06.2020 00:38 Uhr

Fotografie

Ich hatte auf andere Aufnahmen gehofft. Der BG Filter ist für mich mehr als verbraucht. Damit sieht alles gleich aus...aber wen interessiert dass schon in unserer doch eher undifferenzierten Zeit. Vielleicht wird dass ja auch angestrebt. Das Haus jedenfalls ist wunderschön. Es zieht mich jedesmal an wenn ich in Stuttgart bin.

10

atm | 24.06.2020 22:16 Uhr

Der Knüller!

So sehen Häuser aus, die keine "Fassaden" brauchen!

9

Baukultur | 24.06.2020 21:23 Uhr

2 zu 0 für Stuttgart

Eine Meisterleistung!

Der Beitrag von Burger Rudacs und der Neubau von LRO machen eine Reise ins Ländle nun überraschend wahrscheinlich. Es geschehen noch Wunder.

8

Jonas F. | 24.06.2020 19:14 Uhr

Hmmm

Die Hanglage super genutzt. Aber die Fassade am Haupteingang zum Urbansplatz - muss man die wirklich so derart geschlossen machen? Der Raucherbalkon, okay, aber die winzigen Glaselemente im EG und dann noch ein Fenster, der Rest ist grauer, grauer Beton. Hoffentlih kommt da noch Schrift drauf oder Plakate zu den Aufführungen!!! Sonst zeigt das Haus ausgerechnet am Urbansplatz sein hässlichstes Gesicht...??

7

Santa Maria | 24.06.2020 17:54 Uhr

@archi

Was ist denn Ihrer Meinung nach schlecht ausgeführt?
Ein tolles Projekt, kaum zu glauben, dass das in D ist.

6

Davide | 24.06.2020 16:39 Uhr

Grandios!

Wenngleich im konservativen Stuttgart nicht unumstritten, ist diese Schule architektonisch ein großer Wurf: selten wurde ein solches Raumprogramm in derart spannende Räume umgesetzt. Besser hätte man die Lage nicht nutzen können.

5

joscic | 24.06.2020 16:32 Uhr

bravo bravo bravo

...
was soll man sonst dazu sagen? Ein Haus aus einer anderen Welt und Zeit.
Ich mach jetzt Feierabend und trinke ein Bier darauf.

4

°_° | 24.06.2020 16:15 Uhr

Spanische Strenge

Ein sehr konsequentes, präzises, klares, schönes & kraftvolles Gebäude, das gerade in seiner Strenge sicher eine tolle Hülle für kreatives Leben & Arbeiten sein kann.

Respekt an die Mitwirkenden !

3

Peter K | 24.06.2020 16:00 Uhr

sehr schön

..er Beton

Im Ernst, ein schönes Projekt.

2

archi | 24.06.2020 15:51 Uhr

Brigida

González und die Architekturfotografie schaffen es auf magische Art und Weise schlecht ausgeführte Details richtig ausgeführt aussehen zu lassen :)

1

peter | 24.06.2020 15:36 Uhr

superding!

bis auf diese dunklen holz-alu-elemente in der fassade.

ohne die, nur glas, wäre imho noch klarer gewesen.
egal, für deutsche verhältnisse spitzenklasse.

 
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Blick von Westen über den Stuttgarter Schlossgarten und die Staatsgalerie

Blick von Westen über den Stuttgarter Schlossgarten und die Staatsgalerie

Haupteingang am Urbansplatz

Haupteingang am Urbansplatz

Blick auf die Nordfassade und die Außentreppe den Hang hinauf

Blick auf die Nordfassade und die Außentreppe den Hang hinauf

Foyer vor der Probebühne am Urbansplatz

Foyer vor der Probebühne am Urbansplatz

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