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13.03.2019
Buchtipp: Stadtentwicklung
Baku. Oil and Urbanism
„If oil is King, Baku is its throne“, so beschrieb es schon J.D. Henry, Stadtforscher im ausgehenden 19. Jahrhundert. Eve Blau, Professorin für Städtebau an der Harvard University und ehemalige Kuratorin des CCA, legt nun gemeinsam mit Ivan Rupnik, assoziierter Professor an der Northeastern University, eine umfassende Untersuchung über den direkten Zusammenhang von Ölindustrie, Stadtentwicklung und alltäglicher Praxis in der aserbaidschanischen Hauptstadt vor. Baku. Oil and Urbanism ist das Ergebnis eines langangelegten Forschungsprojekts und wartet mit einer Vielzahl bisher unveröffentlichter Quellen und Bildmaterial auf.
Kurzabriss der Chronik: Einen frühen Ölboom erlebte die Stadt um 1870, kurz nach der ersten mechanischen Bohrung. Das große Rohstoffvorkommen lockte reiche Unternehmer aus Russland, Schweden, Frankreich, Belgien, Deutschland, Griechenland und England an. Die „Ölbarone“ – unter ihnen die Familien Nobel und Rothschild – transformierten die trotz russischer Verwaltung kulturell tief in ihren persischen Wurzeln verhaftete Stadt in eine nach Europa und Russland orientierte, moderne Kosmopolis – und etablierten sie als größten Ölexporteur weltweit.
Unter sowjetischer Herrschaft ab 1920 entwickelte sich Baku zu einem einzigartigen Experimentierfeld. Das neue Regime überformte das „kaspische Paris“ als sozialistische Plan-Ölstadt. Ein wortwörtlicher Kuchen, den sich auch Hitler einverleiben wollte: 1942 präsentierte sein Stab ihm eine mit der kaspischen Region dekorierte Geburtstagstorte. Die stalinistischen Vorsichtsmaßnahmen zerstörten mit Zement-Versiegelung der Bohrlöcher und Abverkauf der Fördermaschinerie die zu schützende, stadtinnere Infrastruktur nachhaltig.
Heute ist Baku wieder ein wichtiger Öl- und Gaslieferant auf dem globalen Energiemarkt. Die von Pipelines durchzogene Stadt gehört zu den sich am schnellsten wandelnden, urbanen Territorien der Welt: Bestrebt, sich von anderen post-sowjetischen Ländern abzugrenzen, sucht die Hauptstadt Aserbaidschans den ideologischen Spagat zu seinen kapitalistischen Anfängen im dritten Ölboom der 1960er Jahre – und stellt sich mit prestigeträchtigen Großprojekten wie dem Business-District White City baulich in die Tradition der Ölbarone um die vorletzte Jahrhundertwende.
Der viel zitierte Begriff Post-Oil Urbanism bezieht sich vornehmlich auf eine Stadtentwicklung, die durch Ölprofit generiert wird und greift im Fall von Blau/Rupnik zu kurz. Ihr Buch widmet sich den Prozessen, die gleichzeitig Öl und urbanes Gewebe produzieren. Sie behandeln die technischen Konditionen und hegemonialen Entscheidungswege der Ölförderung, die Distribution über transterritoriale Netzwerke und ihre Wechselwirkung mit Wirtschaft, kulturellen Werten und lokaler Praxis – von der insbesondere eine ausführliche Bildstrecke des Fotografen Iwan Baan erzählt. Baku. Oil an Urbanism veranschaulicht den Werdegang einer kaukasischen Metropole, gebaut auf, durch und mit Öl.
Text: Kathrin Schömer
Baku. Oil and Urbanism
Eve Blau mit Ivan Rupnik
mit einem Fotoessay von Iwan Baan
440 Seiten
Englisch
Park Books, Zürich 2018
ISBN 978-3-03860-076-3
48 Euro
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