Die Technische Universität Delft ist eine der größten und bedeutendsten Forschungseinrichtungen in den Niederlanden. Deshalb benötigt die kleine Stadt zwischen Rotterdam und Den Haag eine Infrastruktur, die diesen Standortfaktor angemessen repräsentiert. Das Projekt des Bahnhofsneubaus wurde mit dem des Rathausneubaus verknüpft, um eine stimmige architektonische Identität entwickeln zu können. Die verantwortungsvolle Aufgabe übernahmen die Delfter Architekten Mecanoo.
Bisher verlief die Bahnstrecke auf einem Viadukt aus dem Jahre 1965. Im neuen Bahnhof erfolgt der Zugang zu den Gleisen unterirdisch, sodass überirdisch Platz für Stadtentwicklung geschaffen wird. Vor wenigen Monaten wurde die Eingangshalle des Delfter Bahnhofs eröffnet. Die oberen Geschosse sollen später folgen. Mit dem Bau des Rathauses wurde noch nicht begonnen.
Das alte Bahnhofsgebäude bleibt, vom Anschluss an die Gleise befreit, als Begrenzung des Vorplatzes stehen. Der Neubau gibt sich zeitgenössisch mit seiner Glasfassade und der winkligen Kubatur. Neben der Bahnhofsfunktion werden hier auch in den oberen Geschossen Shops und Büros unterkommen. Die Massivität wird klimatechnisch begründet: Das kompakte Volumen soll für ein optimales Verhältnis zwischen Grundfläche und Fassadenoberfläche sorgen. Durch begrünte Lichthöfe, die sich wie Schneisen in das Volumen schneiden, gelangt Luft und Licht zu den unteren Stockwerken.
Infrastrukturell ist das Projekt klug angelegt. Das alte Viadukt ersetzt es durch eine komplexere Verwebung der Verkehrsarten. So werden Fahrradwege unter der Straße am Kanal entlang direkt in die unterirdische Parkgarage angelegt. Schon wenige Tage nach der Eröffnung hatte sich die Halle mit Fahrrädern gefüllt. Viele Pendler schätzen den einfachen Übergang von einem Transportmittel zum anderen. Auf dem Platz darüber befindet sich der zentrale Busbahnhof, der nun ebenso unkompliziertes Umsteigen ermöglicht.
Auf dieser Ebene wird auch die vormals durch das Viadukt entstandene Trennung der Stadträume überwunden und die Gegend an die Innenstadt angeschlossen. Bereits im Ring des historischen Stadtkerns und gegenüber des neuen Bahnhofs befindet sich nämlich das Rathaus, welches in Zukunft ebenfalls einen Neubau von Mecanoo erhalten soll.
Delfts Geschichte als Handelsstadt im Goldenen Zeitalter, Wirkungsort des Malers Vermeer und Herstellungsstätte des berühmten blauen Porzellans zieht Touristen aus aller Welt an. Für die Identitätsbildung Delfts darf also der Bezug zur Geschichte nicht fehlen. Im Innenraum des Bahnhofs haben die Architekten deshalb eine skulpturale Deckenkonstruktion entwickelt, die mit 7.700 Quadratmetern Oberfläche die gesamte Halle überspannt. 1.929 Lamellen wurden mit 30 Millionen Punkten bedruckt, die eine Karte von Delft im Jahr 1877 zeigen.
Die Zugänglichkeit der Halle von allen Seiten verbessert die Funktionalität des Bahnhofs erheblich. Wenn auf dem öffentlichen Klavier Passanten spontane Konzerte geben, entsteht eine interessante Atmosphäre in der blauen Farbstimmung zwischen bedruckter Decke und Mosaikstützen. (dd)
Fotos: Harry Cock; Mecanoo
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